Drahtloses Internet: Die Piraten der Lüfte
Die Freifunk-Initiative hat in Berlin das größte öffentliche Netz der Welt aufgebaut. Nun will sie mit der Piratenpartei die Idee weiterentwickeln.
Eine Bar auf der Skalitzer Straße in Kreuzberg: Jana Wisniowska sitzt draußen an ihrem Laptop und ruft ihre E-Mails ab. Bezahlen muss die 38-jährige Friedrichshainerin dafür nicht. Sie braucht auch kein Passwort vom Barmann. Jana surft in einem freien, von Bürgern selbst aufgebauten Funknetz - dem "Freifunk". "Das ist cool, jetzt kann ich von überall ins Netz und muss nicht dafür bezahlen", sagt Jana. Sie ist Mitglied der Piratenpartei, die Freifunk unterstützt und jetzt ganz offiziell mit ins Boot steigt: Das gemeinsame Projekt "Piraten-Freifunk" stellen die Initiatoren an diesem Dienstagabend vor.
Seit 2003 arbeitet die Initiative Freifunk an einem flächendeckenden WLAN-Netz für Berlin. Ziel ist, einen "diskriminierungsfreien Zugang" zum Internet zu schaffen - nichtkommerziell, für alle und überall. Das Prinzip: Bürger vernetzen sich und teilen den Internetzugang. Über Kirchtürme und Dächer werden die Signale von Stadtteil zu Stadtteil weitergefunkt. So verbinden sich kleine Netze zu einem großen. Freifunk versorgt der Initiative zufolge schon 10 Prozent der Fläche Berlins drahtlos. Wer in der Innenstadt wohnt und aufs Dach klettert, kann es sogar schon fast überall empfangen.
"Freifunk funktioniert nur, wenn man in der Nachbarschaft kommuniziert. Es ist immer auch eine soziale Komponente dabei", erklärt Alexander Morlang, technischer Mitarbeiter des Fraunhofer-Instituts und Initiator des Piraten-Freifunks. Mit seinem Team entwickelte er für die Piratenpartei eine vereinfachte Benutzeroberfläche und zusätzlich ein eigenes Logo.
Die Freifunk-Initative will trotz der Kooperation überparteilich bleiben: "Freifunk lässt sich durch Parteipolitik nicht vereinnahmen, aber freut sich immer über Unterstützung von jedem, der das im Sinne von Freifunk tut", betont Morlang.
An einem WLAN-Netz für Berlins Straßen arbeitet zurzeit auch der Berliner Senat. Es ist geplant, das Projekt an einen kommerziellen Anbieter zu vergeben (taz berichtete). Ein freies Netz käme für die Wirtschaftsverwaltung nicht infrage, sagte vor Kurzem Staatssekretärin Almuth Nehring-Venus (Linkspartei): Für ein solches Projekt habe das Land weder genug Geld noch Fachkenntnis. Mario Behling von freifunk.net wundert das: "Wenn der Senat nicht über die Expertise verfügt, wieso holt er sich die Expertise nicht aus der Stadt?" Mit Freifunk verfüge Berlin bereits über das größte freie Funknetzwerk der Welt, das sich erweitern und nutzen ließe.
Mittlerweile scheint der Senat immerhin über eine Kooperation nachzudenken: "Wir schätzen die Freifunk-Initiative und sehen auch keinen Widerspruch zu unserem Projekt", sagte Ingrid Walther, Referatsleiterin Medien, IT und Kommunikationswirtschaft der Senatsverwaltung Wirtschaft und Technologie. Eine Zusammenarbeit würden auch die Grünen begrüßen: "Wir würden uns freuen, wenn der Senat auch in diese Richtung denken würde", sagt der grüne Abgeordnete Stefan Ziller.
Mit seinen eigenen Plänen für ein WLAN-Netz ist der Senat bisher eher schleppend vorangekommen. Die Firma Airdata testete Anfang des Jahres für den Senat, ob Internetrouter an Ampelanlagen angebracht werden können, ohne die Verkehrssicherheit zu gefährden. Das folgende Pilotprojekt in Berlin platzte aber. Airdata wollte den Pilot nicht mehr durchführen, nachdem der Senat das Projekt zur Ausschreibung freigab. Welches Geschäftsmodell Airdata oder anderen Interessenten für eine kommerzielle Nutzung vorschwebt, ist noch nicht bekannt.
Das Freifunk-Projekt wird an diesem Dienstag, 1. September, um 20 Uhr im Café Breipott in der Skalitzer Straße 81 in Kreuzberg vorgestellt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs