piwik no script img

■ DownloadDie Konferenz tagt im Web weiter

Noch sind die Debattenbeiträge zu Bertelsmanns Gipfelkonferenz von München im Web nicht verfügbar. Der Menüpunkt „Speeches“ ist unter www.stiftung.bertelsmann.de/internetcontent/ noch ohne Inhalt. Das soll sich aber ändern, verspricht die Stiftung. Schon jetzt ist ein Newsletter abonnierbar. Auch die Basispapiere der Arbeitsgruppen und die Nutzerbefragung von Allensbach können als Word- oder PDF-Dateien abgerufen werden. Vor allem Jack Balkins und Beth Simone Novecks Studie über Filterprogramme erweist sich als gut lesbare Übersicht über die vielen Gründe, warum Verteidiger der Meinungsfreiheit solche Systeme ablehnen: Sie sind entweder ideologisch borniert oder wirkungslos.

Durchweg neu waren die Themen der Konferenz freilich nicht. Im Sinne des in München viel beschworenen user empowerment wäre eine Linkliste zu verwandten Adressen daher kein Luxus gewesen. Immerhin ist Bertelsmann ebenfalls maßgeblich an der noch im Aufbau begriffenen europäischen Agentur „Incor“ beteiligt, die eigene Bewertungskriterien für Websites entwi- ckeln will (www.incor.org). Incor lehnt sich an das amerikanische Vorbild von RSACi an (www.rsac.org), einer ursprünglich für die Bewertung von Videospielen gegründeten Agentur, die ihre Kriterien seit diesem Frühjahr unter Mitwirkung von AOL, IBM und Microsoft unter dem Namen „ICRA“ als weltweiten Netzstandard zu etablieren versucht.

Als Einstieg in das Problem empfiehlt sich nach wie vor die altehrwürdige American Civil Liberties Union (ACLU), federführend schon beim Prozess gegen den „Communications Decency Act“, dem auch Bill Clinton zugestimmt hatte. Sein Berater Ira Magaziner soll kein Freund dieses Zensurgesetzes gewesen sein und verschweigt heute gern, dass kein Land zuvor je derart drastisch in den freien Fluss der digitalen Informationen eingreifen wollte. Magaziner besitzt keine eigene Website, Informationen über ihn sind im Web nur aus den Debatten über ICANN zu gewinnen, sein heutiges Hauptprojekt, die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (www.icann.org). Auch deren Vorsitzende Esther Dyson stritt in München für die Meinungsfreiheit. Ihre Bedenken gegen Bertelsmanns Memorandum sind nachzulesen unter www.eff.org/pub/Censorship/ Ratings_filters_labelling/19990910_dyson_ratings_comments.html. Das Statement liest sich wie eine verspätete Selbstkritik: Immerhin hatte Esther Dyson vor zwei Jahren ebenfalls in München energisch für die Einführung des „PICS“-Standards durch die W3-Kommission geworben, durch den die Filtertechniken erst allgemein einsetzbar wurden. Sehr viel entschiedener hatte die ACLU schon 1997 in ihrem Papier „Fahrenheit 451.2: Is Cyberspace Burning“ (www.aclu.org/issues/cyber/burning.html) dagegen Stellung genommen. Nadine Strossen, die Vorsitzende der ACLU, war ebenfalls nach München gefahren, zu einer öffentlichen Diskussion mit Esther Dyson kam es nicht. Erst als Ira Magaziner ausführte, wie leicht sich auch das Problem des Datenschutzes mit Vereinbarungen der Industrie lösen lasse, hielt es die Rechtsprofessorin nicht mehr aus. Sie warf Magaziner vor, dafür nicht annähernd so viel zu tun wie für die freiwillige Selbstzensur.

niklaus@taz.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen