piwik no script img

■ Das PortraitDorothea Lange

Die Fotografin Archiv

Die Fotografie einmal nicht als technisches Artefakt, sondern als Rüstzeug im alltäglichen Leben – so beschrieb Dorothea Lange ihre Arbeit. Für die 1895 in Hoboken geborene New Yorkerin war der Apparat eine Erweiterung des eigenen Sehens, untrennbar mit ihrem Körper verbunden: „Du zwingst dich, hinzuschauen und zu warten. Du akzeptierst alle Unannehmlichkeiten und begibst dich unter fremde Menschen.“ Diese Erfahrung schlägt sich unmittelbar in den Fotos nieder, die Lange in den Jahren nach der großen Depression zwischen 1934 und 1938 machte. Während dieser Zeit reiste sie fast 25.000 Kilometer quer durch die USA, um die Armut im Lande zu fotografieren, heruntergekommene Farmhäuser, Arbeitslose auf kalifornischen Erbsenplantagen oder bettelnde Kinder in Oklahoma. Das übriggebliebene Amerika: Statt glänzender Großstadtfotos als Symbol der zwanziger Jahre zeigt Lange, wie weite Teile der Bevölkerung vom Fortschritt überrannt wurden. Der Mensch steht sehr einsam und verlassen in einer Landschaft, die den Metropolen fremd geworden ist: „Ich wußte, da war etwas. Es gibt Momente wie diese, in denen die Zeit stillsteht und du nur hoffen kannst, daß es sich so lange hinzieht, bis du sie für den Bruchteil einer Sekunde im Foto festgehalten hast. Manchmal sagt dir eine Art inneres Gefühl, daß du niemandem etwas wegnimmst: Privatheit, Würde, alles.“

Es ist der Versuch, aus dem Foto eine Erzählform zu machen, deren Sprache zwar in der genauen Beobachtung von Nebensachen zum Ausdruck kommt, aber zugleich auch etwas über die eigene Wahrnehmung besagt. Als könne sich Lange in dem berühmten Portrait einer Wanderarbeiterin mit der abgebildeten Frau identifizieren, wird jedes Detail hervorgehoben, etwa der zerrissene Ärmel, der sich in der übergroßen Jacke des schlafenden Kindes in ihrem Arm verlängert. Wie bei Walker Evans spiegeln die Bilder den Wunsch wider, mit dem Objekt zu verschmelzen – im Blickkontakt. hf

Migrant Mother Foto: Archiv

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen