Dorothea Hahn über die Mordanklage gegen einen US-Polizisten: Eine neue Hoffnung
In den meisten Teilen der Welt wäre es eine Selbstverständlichkeit, dass ein Polizist, der einen unbewaffneten Autofahrer bei einer Verkehrskontrolle mit einem Schuss in den Kopf tötet, vor Gericht kommt. Nicht so in den USA.
Die sind das Land mit der tödlichsten Polizeigewalt in der westlichen Welt – und zugleich jenes, in dem die Gewalt eine Hautfarbe hat: die meisten Täter in Uniform sind weiß, die meisten Opfer schwarz.
In diesem Land ist die Mordanklage von Cincinnati zugleich eine politische und eine juristische Sensation. Cincinnati greift dort ein, wo die Grand Juries in den meisten anderen Orten der USA versagt haben.
Doch Cincinnati ist nicht der erste Ort, an dem Mordanklage gegen Polizisten erhoben wird. Ähnlich spektakuläre Entscheidungen fielen in den letzten Monaten schon in Baltimore und North Charleston. Alle Orte in den USA, die Täter in Uniform vor Gericht stellen, zeichnen sich dadurch aus, dass sie das Problem von Polizeigewalt schon vor den jüngsten Taten diskutiert und dass sie schon zuvor Reformen versucht hatten. Doch das übergreifende Ereignis, das die USA in den zurückliegenden zwölf Monaten radikal verändert hat, ist das Entstehen einer neuen schwarzen Bürgerrechtsbewegung.
Eine Generation von jungen AfroamerikanerInnen, die nie zuvor politisch aktiv war, hat sich an zahlreichen Orten und unter vielen verschiedenen Namen organisiert. Sie hat die Öffentlichkeit zu mehr Teilnahme aufgefordert. Sie hat den gewaltfreien Widerstand organisiert. Und sie hat Druck auf Polizei und Justiz ausgeübt.
Die tödliche Polizeigewalt im zurückliegenden Jahr war immens. Aber sie war nicht größer als in früheren Jahren. Der Unterschied ist, dass jetzt eine soziale Bewegung existiert. Die aufklärt. Und eine radikale Wende verlangt. Insofern ist die gute Nachricht von der Grand Jury in Cincinnati auch ein Erfolg für eine neue soziale Bewegung.
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