Dorfverträglicher Tourismus: Weg vom Getümmel
Kassandra, Sithonia, Athos heißen die fingerartigen Landzugen im Westen Griechenlands. Wer den Massentourismus am Strand meiden möchte, besucht das sanft hügelige Hinterland
Der Wagen sitzt fest, es geht weder vor noch zurück. Aus der Sandmulde gibt es offenbar kein Entrinnen. Der Fahrer winkt entnervt mit seiner Basecap. Mit großen Gesten und einem breiten Lachen nähert sich Stratos, setzt sich in den Wagen und schaukelt den Wagen mit Gefühl und Gas aus der Mulde. Es dauert nur wenige Sekunden.
Bei praktisch jeder Fahrt mit Touristen durch das Innere der Halbinsel Kassandra im Norden Griechenlands kommt es zu solchen Situationen. Denn Stratos führt seinen Konvoi aus martialisch anmutenden, offenen Geländewagen, die von bleichgesichtigen Hotelgästen gesteuert werden, von den gut ausgebauten Straßen mitten in die Wildnis Kassandras. Dorthin, wo kein Straßenschild mehr Sicherheit bietet und die Natur zur fahrtechnischen Herausforderung wird.
Dabei ist Kassandra kein gebirgiges Gebiet, die höchste Erhebung steigt gerade mal auf rund 350 Meter. Was den Gästen zu schaffen macht, ist der steinige, unebene Boden, der von Aleppokiefern, Pinien und Steineichen beherrscht wird. Daneben gibt es weite Gebiete mit bis zu fünf Meter hohen immergrünen Büschen. Zwergstrauchformationen aus Thymian, Rosmarin, Oregano, Ginster und Erika verbergen den karstigen Boden. Immer mal wieder, so Stratos, legen "interessierte Kreise" Brände und fackeln Gebiete ab, um dort Bauprojekte hochzuziehen. Deshalb wurden Brandwachen eingestellt, die auf ansehnlichen Türmen ein einsames Leben führen.
In der Region Halkidiki mit den drei fingerartigen Landzungen Kassandra, Sithonia, Athos und dem Handteller, dem sich im Westen die Millionenstadt Thessalonki anschmiegt, ist Stratos einer von vielen. Insbesondere in Kassandra und Sithonia leben die meisten Bewohner vom Tourismus. Viele Bettenburgen sind dort seit den 1970er-Jahren entstanden und beherbergen die von den großen Tourismusveranstaltern organisierten Massen.
Davon profitiert auch Stratos. Zugleich hat der Naturliebhaber, der zu jedem Tümpel, zu jeden Baum eine Geschichte parat hat, ein gespanntes Verhältnis zum Massentourismus, denn die mächtigen Veranstalter drücken gnadenlos die Preise. Gut für die Touristen und schlecht für die Einheimischen, die das Geld mit den Konzernen teilen müssen.
Dass Halkidiki nicht im Massentourismus versunken ist, liegt nicht nur an den landschaftlichen Gegebenheiten, die ein ordentliches Geschäft nur an den Küsten versprechen. Es liegt auch an Menschen wie Stratos, die sich für einen verträglichen Tourismus einsetzen. Einer von ihnen ist auch Nikitas aus dem Dorf Nikiti an der Westküste Sithonias. Mit rund 2.200 Einwohnern zählt es zu den größeren Orten auf Halkidiki. Das Dorf ist zweigeteilt. Neu-Nikiti liegt mit einer Reihe kleinerer Hotels direkt am Strand. Das Leben des Dorfes hat sich dorthin verlagert. Der alte Ortskern, zehn Fußminuten vom Strand entfernt, wirkt dagegen wie ausgestorben. Keine Autos, einzig eine schwarzgewandete 80-Jährige blickt regungslos aus dem Fenster. Auf dem kleinen Marktplatz sitzen ein paar Dörfler vor dem Lebensmittelladen und reden auf Nikitas ein. Er ist so etwas wie die gute Seele des alten Dorfes. "Unser Problem ist, dass die Einheimischen langsam vergreisen, ohne dass Jüngere nachziehen. Denn ihnen fehlt die wirtschaftliche Perspektive", meint der Immobilienmakler. Diese liegt für ihn in einem dorfverträglichen Tourismus. Nikitas hat schon mehrere Objekte erworben und baut sie mit Freunden aus. Die Apartments sind nicht luxuriös, aber dank mehrerer Betten und gut eingerichteter Küche familienfreundlich. "Wir wollen entspannten Urlaub inmitten eines ursprünglichen Dorfes bieten. Wer was anderes will, soll nach Kallithea gehen", meint der Mitvierziger. Dort gibt es in der Fußgängerzone Cafés, Restaurants und Souvenirs in allen Variationen. Nur das Griechische fehlt.
Safari Hellas, Stratos Nikitas, Tel. (00 30-2 37 40) 2 00 99, E-Mail: stratosn@otenet.gr
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