Berliner Szenen: Dorfpause
Urlaub im Nichts
Ich will Urlaub: in’nem Dorf am besten, wo nichts weiter los ist. Meine Freundin will das auch und deutet schon auf’ne Ferienwohnung im Internet, die sie entdeckt hat. „Sieht gut aus.“ „Ja“, sag ich und kurz darauf in den Hörer: „Am Montag wollen wir kommen. Geht das?“
„Na ja“, sagt der Mann am anderen Ende. „Dienstag wärbesser.“ – „Ist Montag nicht mehr frei?“ – „Doch“, sagt er. „Aber Dienstag wär besser für mich.“ – „Also, für mich wär Montag besser.“ „Hmm“, macht der Mann, dann murmelt er was, das wie „Friseurtermin“ klingt. „Dienstag“, sagt er dann noch mal, und: „Sie können sich’s ja überlegen. Rufen Sie wieder an.“ Und dann legt er auf, einfach so.
Ich guck meine Freundin irritiert an. „Weiß nicht, ob wir wirklich aufs Dorf fahren sollen“, sag ich. „Die scheinen irgendwie komisch da.“ Aber weil meine Freundin ganz enttäuscht guckt, greif ich doch gleich wieder zum Hörer. „Ich bin’s noch mal“, sag ich. „Zur Not geht’s auch erst am Dienstag.“
„Prima!“, freut sich der komische Mann vom Dorf. „Um drei.“ – „Um zwölf eigentlich schon. Das wär besser für …“ – „Da haben Sie doch Mittagspause!“, sagt er ganz entrüstet, und jetzt endlich kapier ich, dass er mich verwechselt mit wem. Er kapiert es anscheinend auch. „Wer sind Sie noch mal?“, fragt er mich. – „Urlauber. Ferienwohnung.“ – „Mein Gott. Und ich dachte, Sie sind der Friseur.“ Er lacht. Dann fragt er misstrauisch: „Urlaub? Jetzt? Ist doch tote Hose bei uns.“ „Eben“, sag ich, und jetzt findet er mich ganz komisch, eindeutig. Kurz schweigen wir uns an. Dann räuspert er sich. „Na, wenn Sie unbedingt wollen“, sagt er und gibt mir’ne Telefonnummer von einem anderen, der auch im Winter vermietet.
„Danke“, sag ich und freu mich: Urlaub gerettet, Urlaub ganz nach unserem Geschmack – Urlaub da, wo sonst keiner hin will, nichts zu sehen und null zu tun. Prima wird das. Joey Juschka
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