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■ Doppelte RolleMoskau und arabisch-israelische Friedensprozeß

Doppelte Rolle Moskau und der arabisch-israelische Friedensprozeß

Jetzt, wo arabische Staaten und Israel sich in Washington zur vierten Runde ihrer Gespräche zusammenfinden, hängt ein Fragezeichen über der Rolle, die die russische Regierung in diesem „Prozeß“ spielt. Formal ist die Position klar: die Gespräche wurden vergangenen November unter Vorsitz der USA und der UdSSR begonnen. Es war der Kulminationspunkt nach langen Jahren des Manövrierens. In Madrid wurden beide Vorsitzende daher als Garanten ihrer jeweiligen Klienten betrachtet. All das hat sich nun geändert. Die Sowjetunion existiert nicht mehr, und das neue Rußland ist weder mächtig noch interessiert genug, die arabischen Staaten gegen Israel oder die USA zu unterstützen. Vorbei die Tage arabisch-sowjetischer Solidarität. Moskaus Hauptziel ist, so viel finanzielle und diplomatische Unterstützung zum eigenen ökonomischen Wiederaufbau zu bekommen wie möglich. Niemand erwartet mehr größere Unabhängigkeit oder Initiative von den Russen: sie sind mit den USA vollkommen einer Meinung.

Warum also spielt Moskau weiter eine Rolle? Die Antwort ist, weil alle, auch die Amerikaner, es so wollen: Die Araber, da sie einen unilateralen amerikanischen Einfluß verhindern wollen. Die Israelis, um mit den Russen auch in anderen regionalen Fragen zur Verständigung zu gelangen, besonders in der Frage der nuklearen Proliferation nach Iran und Irak. Aber auch, um die neuen unabhängigen muslimischen Republiken im Zaum zu halten. Die USA bestehen auf der Fiktion der Kooperation, um zukünftige Kritik gleich abzuwenden.

Für die Russen gibt es verschiedene Gründe: Erstens will Moskau die Position Rußlands als Nachfolgerin der UdSSR festklopfen. Zweitens glaubt man, durch die Zusammenarbeit mit den USA eher an ökonomische Hilfe zu gelangen. Drittens hofft man dies auch bei den anderen Verhandlungspartnern. Und viertens will man mit Hilfe arabischer Staaten wie Saudi-Arabien Einfluß auf die ehemaligen islamischen Republiken der UdSSR gewinnen. Rußland hat sein einigen Monaten keine gemeinsame Grenze mehr mit dem Nahen Osten.

Doch jenseits der momentanen Krise betreibt Rußland auch eine Politik im „nationalen Interesse“, die den Verkauf von Waffen miteinbezieht. Obwohl geographisch zurückgedrängt, könnte Rußland mehr direkten und offenen Kontakt zum Nahen Osten haben — ökonomisch, politisch, sozial — als zu Zeiten der UdSSR. Wenn es auch nicht die Rolle der alten UdSSR spielt, so könnte das neue Rußland im Nahen Osten ähnlich wichtig werden wie Frankreich, Großbritannien oder China. Das russische Engagement bei den Nahostgesprächen ist daher sowohl erster Schritt hin zu neuen Kontakten wie auch Vermächtnis einer früheren, nun aufgegebenen Supermachtrolle. Fred Halliday

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