: Doppelt patriarchal
betr.: „Bei der Stammzellenforschung hat der Bundestag die entscheidenden Fragen nicht gestellt“, taz vom 31. 1. 02
Wer die moralisch aufgeladenen Debatten der letzten zwei Jahre um Bioforschung verfolgt hat, muss zu einem bitteren Fazit kommen. Der Sieg der Forschungslobby liegt genau darin, dass heute Forschungskritik nur noch mittels der In-Wert-Setzung des Embryos möglich scheint. Es gibt kein Argument mehr außer dieser heiligen Substanz. Die Ablenkung des öffentlichen Blicks vom eigentlichen biopolitischen Schlachtfeld – den Körpern, und vor allem den Frauenkörpern, aus denen die zukunftsfähigen Stoffe gewonnen werden – ist vollständig gelungen. Seit längerem scheint auch linksgrün nur noch der Haltegriff Embryonenrettung zu existieren – einschließlich der aus feministischer Sicht unerträglichen Metaphorik der „Tötung“ von Embryonen und der Verleihung von Menschenwürde und Menschenrechten für die aus der Frau herausdefinierte Sache.
Löhrs Gestus ist doppelt patriarchal. Erstens werden antifeministische Lebenschutzargumente verwendet, zweitens will er die „entscheidenden Fragen“ ansprechen, die in der ethisch imprägnierten Bundestagsdebatte gefehlt hätten. Wenn „entscheidend“ nur der Embryo sein soll, dann bleibt der Mann aber eben die versprochenen Fragen schuldig. Wo bleibt die politische Inspektion des Projekts der Stammzellforschung, die politische Analyse einer Biomacht, die auf das Reproduktionsvermögen abzielt? Ist die politische Forschungskritik am Ende? PETRA GEHRING, Bochum
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