Doping-Doku auf ARD: Die Jamaika-Koalition
Hajo Seppelt hat Drahtzieher des Dopings in der Leichtatletik aufgespürt. Die ARD versendet sein Feature "Geheimsache Doping" aber um Mitternacht.
Man kann die Uhr nach Stefan Matschiner stellen. Naht ein Sportgroßereignis, zündet der ehemalige Dopingkoordinator vom gesperrten Radprofi Bernhard Kohl eine Stinkbombe. Vor der Tour de France berichtete der Österreicher von einem deutschen Ex-Gerolsteiner-Profi, der von seinem Schützling Kohl mit Dopingpräparaten versorgt worden sein soll. Drei Tage vor der Leichtathletik-WM gibt der frühere Mittelstreckler Matschiner bekannt, dass sich unter seinen Kunden auch ein deutscher Läufer und aktueller Landesmeister befunden habe.
Matschiner macht diese Aussage im Rahmen des TV-Features "Geheimsache Doping", das Mittwoch um Mitternacht im Ersten gesendet wird. Zu Namen und Disziplin des Athleten äußert sich Matschiner nicht. Der ARD sei der Sportler bekannt, sagte der Autor des Beitrags, Hajo Seppelt, am Rande eines Presse-Screenings.
Die deutsche Komponente ist nur ein Nebenaspekt in diesem 30minütigen Recherchestück über die Dopingdrahtzieher in der Leichtathletik. Großen Raum nehmen die Aussagen des Mexikaners Angel Heredia ein. Der frühere Diskuswerfer, Sohn eines Chemikers und selbst begeisterter Pharmazeut, hatte die Trainingsgruppe von Trevor Graham um die Sprintstars Marion Jones und Tim Montgomery mit dem branchenüblichen Mix aus Epo, Wachstumshormon, Testosteron und Insulin versorgt. Heredia hatte nach den gegenseitigen Anzeigen seines Geschäftspartners Graham und seines Konkurrenten Victor Conte, der das Designersteroid THG hergestellt hatte, ausgepackt, war dann aber untergetaucht.
Die ARD spürte Heredia in Mexico City auf, wo er aus Angst vor Verfolgung angeblich wöchentlich Telefon und Unterkunft wechselt. Mit Basecap von Adidas - dem Hauptgeldgeber vieler seiner früheren Dopingklienten - auf dem Schädel, gewährt Heredia nun freimütig Einblick in das Geschäft. "9 von 10 Athleten nehmen Wachstumhormone", sagt er. "Es mag saubere Sportler geben. An saubere Sieger glaube ich nicht", behauptet er. Heredia mixt vor der Kamera eine Testosteronsalbe zusammen. Er spritzt sich Epo in die schon füllige Bauchfalte und geht mit den Journalisten auf Epo-Einkaufstour in mexikanischen Apotheken. Heredia weist - wie auch Matschiner - auf Kontakte zu Laboren hin, die Dopingkontrollen vornähmen, die Ergebnisse aber nur den jeweiligen Auftraggebern mitteilten. So kann man das Dopingprogramm optimieren.
Dritter Handlungsort ist Jamaika. Auf der Rum- und Reggae-Insel scheint Doping kein Problem. 100-Meter-Weltrekordler Usain Bolt weiß erst einmal nichts mit der Frage anzufangen, ob er je gedopt habe. Er knetet sein Kinn, blickt verlegen in die Kamera und sagt schließlich mit fester Stimme: "Nein." Bolts Überraschung ist kein Wunder. Auf Jamaika liegen Doping, Antidoping und Spitzensport dicht beieinander. Eine der WADA bekannte Dopingdealerin war im Kraftstudio von Bolt tätig. Der langjährige Mannschaftsarzt der Leichtathleten der Karibikinsel, Herb Elliott, ist gleichzeitig der Boss der nationalen Antidopingagentur. Die hat nach Aussage der WADA bisher noch keinen offiziellen Dopingtest in Eigenregie vorgenommen. Die Bedingungen für Doping sind auf Jamaika offenbar so günstig wie die Medaillenausbeute hoch ist. Der Zusammenhang mag zufällig sein, könnte aber auch kausaler Natur sein.
"Geheimsache Doping" beleuchtet den Weltinnenraum der Leichtathletik und beschreibt Praktiken, die gar nicht mehr so geheim sind. Der ARD hätte es gut angestanden, diesen Beitrag ihres renommierten Dopingrechercheurs zu besserer Sendezeit und in größtmöglicher Nähe zu den Finalläufen zu zeigen. Medial wächst noch nicht zusammen, was trainingsmethodisch längst zusammengehört.
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