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Dominikanische RepublikPer Klage gegen Straflosigkeit

Vor 16 Jahren ließ der damalige Präsidenten Balaguer einen seiner Kritiker verschwinden. Nun soll die jetzige Regierung gezwungen werden, Auskunft darüber zu geben.

Was geschah mit dem Regimekritiker Narciso Gonzáles? Die Regierung von Präsident Leonel Fernandez (Foto) soll diese Frage nun klären. Bild: dpa

SANTO DOMINGO taz | Die Interamerikanische Menschenrechtskommission (CIDH) will die Dominikanische Republik vor dem regionalen Menschengerichtshof im costa-ricanischen San José anklagen. Das gab jetzt das Zentrum für Gerechtigkeit und Internationales Recht (CEJIL) in Washington bekannt, das Angehörige von Opfern vertritt.

Die Kommission will so die dominikanische Regierung zwingen, Auskunft über das Schicksal des am 26. Mai 1994 verschwunden Professors und Journalisten Narciso "Narcisazo" González zu geben. Gemeinsam mit der nichtstaatlichen dominikanischen Wahrheitskommission, die das Verschwinden des Oppositionellen untersucht, brachte CEJIL den Fall vor die unabhängige Menschenrechtskommission.

"Dies ist das erste Mal, dass ein Staatsverbrechen in der Dominikanischen Republik verhandelt wird", sagt CEJIL-Direktorin Viviana Krsticevic. "Der Fall Narciso González bietet die Chance, dass sich der Interamerikanische Gerichtshof mit der in diesem Land herrschenden Straflosigkeit während der repressiven Vergangenheit befasst. Das stärkt Kritiker der öffentlichen Hand."

Der Linksoppositionelle González verschwand wenige Tage nach der dominikanischen Präsidentschaftswahl vom 16. Mai 1994, zu deren Sieger sich der damalige Caudillo Joaquín Balaguer erklärt hatte. Vorwürfe von Wahlfälschung beantwortete die Regierung Balaguer mit Repression. Tagelang herrschte in Santo Domingo eine Art Ausnahmezustand, der erst nach Vermittlung der USA beendet wurde.

Der damals 87-jährige und blinde Staatschef, der schon dem Diktator Rafael Trujillo gedient hatte, willigte schließlich ein, seine Amtszeit auf zwei Jahre zu verkürzen und vorzeitig wählen zu lassen. Zehn Tage nach den Wahlen 1994 war der Balaguer-Kritiker González verschwunden, nachdem er zuvor während einer Demonstration in der Autonomen Universität den greisen Präsidenten einen "Diktator, Wahlfälscher und Mörder" tituliert hatte.

Am Nachmittag hatten Augenzeugen beobachtet, wie González in ein Zivilfahrzeug gezerrt wurde. Wie sich später herausstellte, wurde der Pkw vom militärischen Geheimdienst J-2 benutzt. Anonyme Zeugen berichteten später der Familie und der Wahrheitskommission, den "gefolterten Narcisazo" in einer Zelle des J-2 gesehen zu haben. Seitdem fehlt jede Spur.

Die Kommission geht davon aus, dass der Festgenommene an den Misshandlungen gestorben ist und seine Leiche beseitigt wurde. Auch nach Balaguers Tod 2002 schlugen bisher alle Versuche fehl, Personen, die mit dem Verschwindenlassen des damals 54-jährigen González in Verbindung gebracht wurden, zur Rechenschaft zu ziehen oder wenigstens Informationen über sein Schicksal einzuklagen.

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