Dolmetschen in Behörden: Stadt der Spione

Sind unsere privaten Daten bei Behörden sicher aufgehoben? Ein zufällig belauschtes Gespräch in der Tram lässt auf das Gegenteil schließen.

Stadtansicht von Berlin

Der Kalte Krieg ist längst vorbei. Spion_innen treiben sich in Berlin aber immer noch herum Foto: dpa

Berlin, so hieß es früher, ist die Stadt der Spione. Ein Haifischbecken voller Agent_innen. Die Trenchcoats, der Nebel, die schönen Klischees aus der Zeit des Kalten Krieges kommen einem allerdings kaum noch in den Sinn, wenn man heute an Spionage denkt. Da geht es eher um Softwareprodukte wie den Trojaner, den die Münchener Firma FinFisher offensichtlich an die Türkei verkauft hat, als um zufällig belauschte Gespräche in der Bahn.

Aber dann ist die Realität doch noch mal prosaischer. Letztens hatte ich mal wieder Bluthochdruck. Auf dem Heimweg von der Arztpraxis stieg ich in eine Tram, die durch Ostberlin fährt. Auf dem Sitz neben mir saß eine Person um die 30, die telefonierte. Auf Türkisch. Besonders gut war ihr Türkisch nicht, sie musste sich immer wieder mit deutschen Worten behelfen. Soweit ich verstand, arbeitete sie bei einer Behörde in Berlin. Dort hatte sie gerade einen Mann gedolmetscht, den sie im Folgenden als oppositionellen Kurden beschrieb. Natürlich nicht in diesen Worten.

„Er hat unsere Türkei bei den Deutschen angeschwärzt!“, rief sie in ihr Handy. Sie machte sich, gelinde gesagt, über den Klienten lustig. „Da behauptet der doch, ihre Politiker säßen im Knast. So ein Quatsch! Da sitzen nur die Terroristen, das weiß doch jeder.“ Besonders unangenehm war der Dolmetscherin allerdings die Stelle, als der Kurde Erdoğan als Diktator bezeichnete. „Das ist mir richtig gegen den Strich gegangen. Aber musste ich natürlich dolmetschen. Das hört man ja, wenn er diktatör sagt. Aber es hat mich so aufgeregt.“

An dieser Stelle, talking about Aufregung, beschloss ich spontan, an der nächsten Haltestelle auszusteigen, um meinen Blutdruck unter Kontrolle zu behalten. Die Neugierde, mehr Details aus dem belauschten Gespräch zu erfahren, konnte ich mir gesundheitlich nicht leisten. Da stand ich also und wartete auf die nächste Tram. Die Dolmetscherin war sicher auf dem Weg nach Hause. Und ich war gedanklich bei jenen Nächten, als die Polizei unsere Tür aufbrach und uns wehtat.

Zumindest die nächsten Jahre werde ich bei meinen Behördengängen immer wieder auf Dolmetscher_innen angewiesen sein. Ich frage mich, was sie wem weitertragen. Und ob irgendjemand kontrolliert, wer da neben mir sitzt und meine Zukunft beeinflusst? Gibt es überhaupt Hintergrundchecks für Behördendolmetscher_innen? Gibt es in bestimmten Positionen Leute, die persönliche Daten und inhaltliche Aussagen von Menschen wie mir weitergeben könnten?

Ich rege mich ja schon auf, wenn ich bei einem Termin zweieinhalb Stunden mit einer Sachbearbeiterin rede und sie mir am Ende ein Papier vorlegt, auf dem “Herr Demishevich“ steht. Weil sie im Kopf ein Bild von mir hat, das von einer Begegnung nicht weggeht. Was aber, wenn ich in diesem Bild überhaupt keine Rechte habe?

Aus dem Türkischen von Oliver Kontny

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