Dokumentation: Des Menschen Würde
■ Aus der Rede des Bundespräsidenten im Lustgarten
Wir haben die Pflicht zu einem humanen Umgang mit den Zuwanderern. Da die Grenzen offen sind..., versuchen die Menschen aus den Armutsgebieten zu uns zu kommen, wie es immer war in der Geschichte.
Nun haben wir noch keine brauchbaren Rechtsregeln dafür, sondern nur das Asyl. Und alles preßt sich durch dieses dafür gar nicht geschaffene Asyl- Nadelöhr. Aber das gibt uns doch nicht das Recht, diese Ausländer als Asylbetrüger zu beschimpfen, wie es so oft geschieht. Vielmehr haben wir die dringliche Pflicht, ein System zu schaffen, daß die Zuwanderung steuert und begrenzt, und zugleich das wahre Asyl schützt. Eine alles umfassende rasche Gesamtlösung dürfen wir angesichts der großen Notlagen nicht erwarten.
Aber mit allem Nachdruck ist zu verlangen, daß wir in der Politik die Kraft auf allen Seiten finden, nun gemeinsam den nächsten notwendigen Schritt zu tun – nach den Regeln der Verfassung und ohne die schrecklichen schrillen Töne, die uns keinen Schritt weiterbringen, sondern am Ende nur Wasser sind auf die Mühlen der gewalttätigen Extremisten.
Die Organe des Staates haben die Pflicht, das deutsche Gemeinwesen handlungsfähig zu erhalten. ... Sie haben auch die Pflicht, womöglich Gesetze zu verschärfen. Doch unsere Gewissen zu schärfen, ist jetzt noch wichtiger. Es reicht nicht, nur auf die Politik zu warten. Wir müssen unsere Augen aufmachen, um zu sehen, wo wir selbst die Menschenwürde vor der Gewalt bewahren können. ...
Deutschland den Deutschen. Mit solchen Parolen ziehen Extremisten durch die Straßen. Was soll das heißen? Eine neue Verfassung. Nein, in unserem Artikel 1 steht nicht „Die Würde des Deutschen ist unantastbar“, sondern „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Dabei bleibt es. Und käme es anders, dann wäre es um die Würde der Deutschen geschehen. Wer vorgibt, im Interesse Deutschlands zur Gewalt zu greifen, der vergreift sich im Namen unserer Nation. Deutschland ist weder Schlagwort noch Schlagstock. ... Wir haben die Trennung überwunden, nun wollen wir keine neuen Grenzen. Wir haben in Ost und West ein Schicksal, nicht zwei. Wir haben mit Schwierigkeiten im eigenen Land zu kämpfen. Aber wir wissen, wie viele Völker es weit schwerer haben als wir. ...
Das heutige Deutschland ist nicht die Weimarer Republik. Aber es gibt gar nichts zu beschönigen. ... Wozu haben wir denn durch Übung gelernt und in einer friedlichen Demonstration bewiesen, Demokraten zu sein? Darum, daß jetzt jeder und jede an ihrem Platz mitarbeiten, um unsere Zivilisation vor der Gewalt zu schützen. Daß wir alle zusammen für die Würde des Menschen einstehen, gegen Gewalttäter von allen Seiten, gegen die, denen es nur um ihren Krach geht und nicht um ihre Mitmenschen. Für Deutsche, für Fremde, für die Menschenwürde. Das ist unsere Verantwortung als freie Bürger.
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