Dokumentation: Nur zu, Ihr Feigen!
■ Brief ans Gymnasium Luckenwalde
Aus der Märkischen Allgemeinen vom 22.2. 1995 erfahre ich, daß die Schulkonferenz des Luckenwalder Gymnasiums es abgelehnt hat, in der Aula eine Gedenktafel für den ehemaligen Schüler Rudi Dutschke anzubringen. Als Alternative habe sie vorgeschlagen, eine „Ehrengalerie für bedeutende Lehrer und Schüler anzufertigen, die hier gelehrt und gelernt haben“. Schuldirektor Michael Kohl antwortete so auf meinen Vorschlag, die namenlose Schule nach Rudi Dutschke zu benennen. Dies geschah (...) an eben jener Stelle, an der dieses Luckenwalder Gymnasium im Jahr 1958 von dem 18jährigen Abiturienten Rudi Dutschke zum einzigen Mal zu einem historischen Ort gemacht worden ist (...), indem er den Kriegsdienst mit der Waffe verweigerte. (...) Er tat das aus tiefer Gewissensüberzeugung (...), ahnend, daß feige, linientreue Pädagogen ihn dafür büßen lassen würden. So geschah es dann auch, mit der (...) Kader-Akten-Beurteilung: „Der pädagogische Rat hält Rudi für ein Studium für nicht geeignet.“
Nur zu, Ihr pädagogischen Räte, Ihr Schüler, Eltern und Lehrer. Sie wollen, wie es scheint, lieber eine Ehrentafel für alle aus der Schule hervorgegangenen (...) irgendwie Prominenten, für alle (...), die biegsam genug waren, um nicht bei Ihrem einst willfährigen Pädagogischen Rat anzuecken (...), wie dereinst der Dutschke, Rudi. Wovor haben Sie heute eigentlich Angst? Warum übersteigt es Ihre Courage, sich zu einem ehemaligen Mitschüler zu bekennen, der totalitärem Druck widerstanden (...) hat, wie leider in der deutschen Geschichte wenige. Bekennen Sie sich mit der Namensgebung Ihrer Schule oder wenigstens mit einer exponierten, ihm gewidmeten Gedenktafel eindeutig zu dieser außergewöhnlichen Persönlichkeit – oder vergessen Sie Rudi Dutschke ... Ulrich Chaussy
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