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■ Dokumentation„Grüne Elastizität“

Eine von der grünen Mehrheitsmeinung stark abweichende Position zur Ampel-Koalition und ihrem Ende hat der fundamentalistisch gesinnte grüne Bürgerschaftsabgeordnete Walter Ruffler formuliert. Wir dokumentieren in Auszügen:

Die Ampel ist nicht an einem „grünen Dolchstoß“ (Ralf Fücks zu Gerold Janssen) verröchelt, sondern das Ende kam aus dem Herzen des Senats. Inhaltliche Gründe spielten eine untergeordnete Rolle: Die Grünen tragen das Sanierungsprogramm mit, dessen Investitionssonderprogramm einen massiven Straßenbau und ein Wirtschaftswachstum zum Ziel hat, das ein Prozent über dem der Bundesrepublik liegen soll.

Wir machten sowohl im Koalitionsvertrag als auch in der Regierungspraxis zahlreiche Zugeständnisse. Vieles wurde im Sinne der FDP vereinbart: Bau der A 281, Ausbaggerung der Außenweser, Bau des Container Terminals III, Bau des Hemelinger Tunnels, Ausbau des Flughafens.

Es wurden 70 ha statt bisher 50 ha Gewerbeflächenerschließung pro Jahr vereinbart, Erweiterung der Flughafen-Betriebszeiten, Beschluß zur Aufweitung des Verkehrsknotens Neuenlander Straße, Siemens-Gelände Uni-Ost. SenatorInnen und Fraktion machten Zugeständnisse auch in anderen Politikbereichen: Bereitschaft zum Verkauf der Stadtwerke (bis zu 49,9%), Verlängerung der Betriebszeiten der MVA, evtl. Neubau einer Müllverbrennungsanlage, Plastikverwertung im Hochofen, Verzicht auf das Projekt Wohnen im Europahafen, Zustimmung zur Weidedamm-Bebauung, Zustimmung zur Bebauung des Bahnhofsvorplatzes mit einem Glas-Betonklotz, Hinnahme der Zerschlagung des Drogenstrichs, Zustimmung zu Verschärfungen des Melde- und Polizeigesetzes, Hinnahme des Haus-Abrisses im Buntentorsteinweg, Hinnahme des Demonstrationsverbotes am Nationalfeiertag, Hinnahme des Wohnschiffs für Asylbewerber im Kohlehafen, Hinnahme einer enorm gesteigerten Abschieberate, mehrfach Nachbewilligung von Haushaltsmitteln für Abschiebungen.

Wir trugen eine Innenpolitik van Nispens mit, die der CDU kaum eine Chance zur eigenen Profilierung ließ. Und wir verzichteten auf Projekte, die fest im Koalitionsvertrag vereinbart waren: Sperrung der Martinistraße für den Durchgangsverkehr, autofreie Samstage als Modellversuch, Ankauf von mehr Belegrechten in Sozialwohnungen.

Beide Seiten haben jetzt Interesse am Vertuschen des subjektiven Faktors, wer geht schon gern als „Gockel“ in die bremische Lokalgeschichte ein. So wird sich Jäger als Retter der Wirtschaftsinteressen präsentieren und Fücks als Wahrer ökologischer Prinzipien.

Die Ampel zerbrach trotz nahezu schrankenloser programmatischer Elastizität unserer Fraktion. Hätten doch wenigstens inhaltliche Differenzen der Ampel den Garaus gemacht, zum Beispiel ein unversöhnlicher Streit über Verkauf oder Nichtverkauf der Stadtwerke an einen Atomkonzern! Wir müssen verhindern, daß in der Restlaufzeit dieser Regierung von der SPD alle Koalitionsregeln außer Kraft gesetzt werden und durch die SPD-Mehrheit im Senat und eine SPD-CDU-Mehrheit in der Bürgerschaft vollendete Tatsachen geschaffen werden. Walter Ruffler

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