■ Dokumentation: Frankfurter Erklärung zur Rechtschreibreform
Nach Erscheinen des neuen Duden und nach den ersten Erfahrungen in den Schulen ist es endlich möglich, den Inhalt der vorgeschlagenen Rechtschreibreform genauer zu analysieren, ihre Folgen für die deutsche Sprache und Literatur, für den Deutschunterricht im In- und Ausland, für unsere Jugend und für uns alle zu ermessen und die ungeheuren Kosten abzuschätzen. (...)
In Anbetracht der schwierigen wirtschaftlichen Lage darf eine Reform, die in den meisten Punkten keineswegs notwendig ist, in vielem sogar eine Verschlechterung bedeutet und – abgesehen von der „ss“-Regelung – nur etwa 0,05 Prozent eines durchschnittlichen Textes betreffen würde, auf keinen Fall dazu führen, daß alle Schulbücher, die meisten Lexika, Kinder- und Jugendbücher und in der Folge auch literarische Bücher neu gedruckt (und zugleich alte verramscht oder makuliert und „entsorgt“) werden müssen.
Anläßlich der Frankfurter Buchmesse 1996 bitten die unterzeichneten Germanisten, Pädagogen, Schüler und Studenten, Schriftsteller, Bibliothekare, Archivare und Historiker, Verleger, Buchhändler, Journalisten und Liebhaber der deutschen Sprache und Literatur die verantwortlichen Politiker in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz, diese von einer kleinen, weitgehend anonymen Expertengruppe vorgeschlagene Rechtschreibreform, deren Einführung Millionen von Arbeitsstunden vergeuden, jahrzehntelange Verwirrung stiften, dem Ansehen der deutschen Sprache und Literatur im In- und Ausland schaden und mehrere Milliarden DM kosten würde, die wenigen zugute kommen würden und von uns allen zu tragen wären, umgehend zu stoppen.
Die Erklärung haben u. a. unterzeichnet:
Strohschneider-Kohrs, Germanistin, Gauting; Joachim Unseld, Verleger; Guntram Vesper, Schriftsteller;
Franziska Walser, Schauspielerin;
Martin Walser, Schriftsteller; Dr. Roger Willemsen, Moderator
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen