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DokumentationCDU-Konflikt um Länderneugliederung

■ Streit zwischen Gerhard Mayer-Vorfelder und Ulrich Nölle im „Focus“

Das Nachrichtenmagazin „Focus“ berichtet in seiner heutigen Ausgabe über den Streit um eine Neugliederung der Bundesländer. Dabei läßt das Blatt zwei Protagonisten aus der CDU zu Wort kommen: Den baden-würrtembergischen Finanzminister Gerhard Mayer-Vorfelder, 63, seit sechs Jahren im Amt, und den Bremer Finanzsenator Ulrich Nölle. Der hat seinen Posten seit Sommer 1995 inne. Wir dokumentieren beide Statements.

Gerhard Mayer-Vorfelder (CDU), Finanzminister von Baden-Württemberg: „Um den Föderalismus finanzierbar zu halten, müssen die politischen Kräfte in der Bundesrepublik auf eine Länderneugliederung konzentriert werden. Jährlich zweistellige Millionenbeträge für eine ökonomisch nicht mehr tragfähige Länderstruktur sind nicht mehr drin. Die Kosten beweisen, daß kleinere Einheiten auf Dauer nicht hinreichend leistungsfähig sind.

Für politische Führung und die damit verbundenen Ausgaben für Ministerien und Parlamente werden bundesweit jährlich mehr als sieben Milliarden Mark von den Ländern ausgegeben. Hiervon entfällt allerdings weniger als ein Drittel auf die drei größten Bundesländer, obwohl sie etwa die Hälfte der Gesamtbevölkerung repräsentieren.

Allein Saarland und Bremen erhalten außerhalb des eigentlichen Länderfinanzausgleichs Sonderzuweisungen des Bundes in Höhe von 1,5 bzw. 1,8 Milliarden Mark.

Der bundesstaatliche Finanzausgleich hat die Wahrung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet zum Ziel. Dies darf jedoch nicht dazu führen, daß bei finanzschwachen Bundesländern der Wille verloren geht, die Ausgaben weitestgehend alleine zu finanzieren.

Unsere Modellrechnungen zeigen, daß sich bei einer Reduzierung der Zahl der Länder von derzeit 16 auf beispielsweise zehn das Ausgleichsvolumen im Länderfinanzausgleich um rund sechs Milliarden Mark reduzieren würde. Der Bund würde darüber hinaus rund eine Milliarde Mark an Ergänzungszuweisungen sparen. Das Potential weiterer Einsparungen bei den sonstigen Bundeshilfen sowie den Verwaltungskosten würde bei weiteren drei bis vier Milliarden Mark liegen.“

Ulrich Nölle (CDU), Bremer Finanzsenator: „Das Jahr 1997 ist ein Meilenstein für Europa. Es gilt, den alten Kontinent im globalen Konkurrenzkampf zu stärken. Daran haben wir als Exportnation ein existenzielles Interesse.

Unser Föderalismus ist ein Garant dafür, daß das wiedervereinigte Deutschland der Zukunft nicht das Deutschland der Vergangenheit sein wird. Eine zackige Neugliederung wäre ein bedenkliches Signal an unsere Nachbarn.

Die Diskussion um die Neugliederung ist alt, jetzt neu verpackt. Der aktuelle Länderfinanzausgleich ist seit 1995 in Kraft. Vor diesem Hintergrund kann es kaum als „fair“ bezeichnet werden, wenn einzelne Positionen, die ausschließlich die Interessen der finanzschwachen Länder berühren, in Frage gestellt werden.

Dabei wird teilweise sachfremd und unzutreffend argumentiert. Ein Beispiel ist die angebliche Übernivellierung, obwohl es durch den horizontalen Länderfinanzausgleich zu einer veränderten Rangfolge unter den finanzstarken Ländern nicht kommen kann. Kurzerhand unterschlagen wird häufig die Tatsache, daß Bremen bis Ende der 60er Jahre Geberland im Länderfinanzausgleich war. Bremen verliert heute in der ersten Stufe der Steuerverteilung rund 850 Millionen Mark jährlich, die in der zweiten Stufe des Finanzausgleichs nur zu rund 600 Millionen Mark zurückfließen.

Wir werden so ärmer gerechnet, als dies unserer wirtschaftlichen Leistungskraft entspricht. Weder Föderalismus noch Finanzausgleich ist die Ursache der aktuellen Sparzwänge. Der Finanzausgleich trägt zur Einheitlichkeit von Lebens- und Wirtschaftsbedingungen bei und stabilisiert den Standort Deutschland. Daran müssen wir festhalten.“

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