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Dokumentation und KommentarGedruckt wie gelogen

■ Borttscheller und sein Duz-Freund Renoldi

Radio Bremen hat uns eine wörtliche Abschrift des Interviews zur Verfügung gestellt, das der frühere Innensenator Ralf Borttscheller am 7.10. der Hansawelle gegeben hat. Borttscheller rechtfertigt sich darin gegen Vorwürfe, er habe über den wegen Mordverdachts in U-Haft sitzenden Schausteller Klaus Renoldi seine „schützende Hand“ gehalten, als das Stadtamt die Zulassung von dessen Geschäft auf dem Freimarkt widerrufen wollte (vgl. taz 7.10.)

Aus den Akten im Innenressort und im Stadtamt geht eindeutig hervor, dass der Innensenator des Landes Bremen in mehreren Sitzungen seine kostbare Zeit auf das Problem verwendet hat, ob der Schausteller Renoldi seine Achterbahn auf dem Freimarkt aufbauen darf oder nicht (vgl.taz 16.10.). Es ist nicht vorstellbar, dass Borttscheller so schnell „vergessen“ hat, worum es ihm dabei ging. Wer aber wissentlich nicht die Wahrheit sagt, der lügt. Wir dokumentieren dieses Interview hier vollständig, weil es belegt, wie sich Borttscheller herauszureden versucht.

Dokumentation Interview Borttscheller:

Ich bin wieder in dem Beruf, den ich vor vier Jahren auch ausgeübt habe, nämlich als Rechtsanwalt und Notar. Und ich glaube, es kann nicht die Folge sein, dass, wenn man vier Jahre lang ein politisches Amt hat, man anschließend mit einem partiellen Berufsverbot belegt wird. Sie müssen wissen, dass das Verfahren von der Staatsanwaltschaft Nürnberg betrieben wird, dass die Tat in Nürnberg begangen ist, dass also originär Bremen überhaupt nicht zuständig war, und deshalb sind diese Vorwürfe, dass es hier eine Interessenkollision gebe, reichlich hergeholt. Und ich kann sie auch gar nicht ernst nehmen. (...)

Kritik hat ausgelöst, dass Sie als Innensenator und

damaliger Vorsitzender des Bremer Marktausschusses

angeblich Ihre schützende Hand über Renoldi gehalten

haben, als es darum ging, die Konzession

für den Freimarkt 98 zu erteilen...

Borttscheller: Ja, an dem Inhalt ist eines schlicht durch Weglassen falsch.

Nämlich?

Borttscheller: Nämlich Klaus Renoldi, der in Nürnberg vor Gericht steht, hatte weder für den Freimarkt und Weihnachtsmarkt 1998 noch für 1999 eine Zulassung erhalten. Das ist auch von mir nicht veranlasst worden. Sondern hier hat die Verwaltung völlig richtig und in Übereinstimmung mit mir entschieden, dass Klaus Renoldi die Zuverlässigkeits-Voraussetzung wegen des anhängigen Ermittlungsverfahrens nicht erfüllt und auch nicht zugelassen werden kann.

Ist das nicht eine juristische Spitzfindigkeit? Er hat seine Buden auf Frau und Kinder übertragen.

Borttscheller: Nein, die Frau betreibt ihr Geschäft seit 18 Jahren, hat seit vielen Jahren immer eigene Zulassungen bekommen. Und Sie glauben doch nicht, dass die Zulassung des Fahrgeschäftes auf dem Oktoberfest im vergangenen Jahr und in diesem Jahr etwa auch von mir beeinflusst worden wäre. Sondern auch dort hat eine eingehende Prüfung stattgefunden und man hat genau gesagt: Hier sind die Familienmitglieder keine Strohmänner, wie von Dritten behauptet worden ist.

Kommen wir doch einfach mal zu der moralischen Bewertung dieser ganzen Geschichte. Es gibt viele, die sagen: Der Mann hat kein Fingerspitzengefühl, dass er jetzt in dieser Sache ausgerechnet die Verteidigung von Klaus Renoldi übernimmt. Ist das nicht ein berechtigter Vorwurf?

Borttscheller: Der Rechtsanwalt ist ein Freiberufler, der natürlich Mandate ablehnen kann. Aber ich sehe hier keinen Anlass, wenn jemand sich in einer so schwierigen Lebenslage befindet und dann um meine Hilfe bittet, sie ihm zu verweigern. Ich glaube, dass hier nach den juristischen Voraussetzungen gefragt werden muss und die sind eindeutig.

Und die Außenwirkung?

Borttscheller: Die mögen andere beurteilen.

Kommentar des Lügendetektors:

Das ist unverfroren: Eine gewisse Zurückhaltung aus Gründen der politischen Hygiene wäre ein „partielles Berufsverbot“. Borttscheller hat überhaupt kein Problem damit, dass politische Beobachter sich fragen, warum ausgerechnet er die Verteidigung seines unter Mordverdacht stehenden Freundes Klaus Renoldi übernommen hat.

Eine Ausflucht erster Klasse: Dass Borttscheller die Staatsanwaltschaft beeinflusst habe, hat wirklich niemand behauptet. Borttscheller dementiert etwas, was niemand behauptet hat und verdrängt damit den Vorwurf der „Interessenkollision“, der sich auf seine „schützende Hand“ als Innensenator bezog.

Das ist unwahr. Renoldi war sowohl auf dem Freimarkt 1998 mit seiner Achterbahn wie auf dem Weihnachtsmarkt 1998 mit seiner Pufferbude zugelassen.

Das ist unwahr. Die Verwaltung wollte die Zulassung widerrufen, aber Borttscheller hat in beiden Fällen zugunsten von Renoldi interveniert. Als es um den Freimarkt ging, vertrat Borttscheller vehement der Auffassung, Renoldi könnten wegen der „Unschuldsvermutung“ die „Zuverlässigkeitskriterien“ nach dem Gewerberecht nicht abgesprochen werden. Als es um den Weihnachtsmarkt ging, beriet Borttscheller Renoldis Tochter Nina. Ergebnis: Klaus Renoldis Anmeldung der Puffer-Bude wurde von Renoldi nicht zurückgezogen, sondern bestand weiter.

Eine Ausflucht erster Klasse: Um die Geschäfte, die seine Frau seit 18 Jahren betreibt, ging es überhaupt nicht, sondern um die von Klaus Renoldi.

Das ist unwahr: In München hat keine gewerberechliche Prüfung stattgefunden. Ein SPD-Politiker, der Taufpate der Renoldi-Familie ist, hatte sich für Renoldi eingesetzt.

Das ist unwahr. In München wurde Klaus Renoldis Fahrgeschäft zugelassen. Das wusste Borttscheller nur zu gut, denn damit hatte er argumentiert, als er sich für Renoldis Zulassung zum Freimarkt in Bremen einsetzte.

Vor laufender Buten&Binnen-Kamera hatte Borttscheller übrigens genau das Gegenteil gesagt auf die Frage, ob er bei der Freimarkts-Zulassung seine „schützende Hand“ über Klaus Renoldi gehalten habe: „Ich musste nicht meine schützende Hand darüber halten, weil schon die Verwaltung in einer abschließenden Prüfung zu der Auffassung kam, dass das Geschäft in der damaligen Inhaberschaft zugelassen werden könne“. (Buten&Binnen 7.10.) Auch diese Version ist allerdings unwahr.

Der Freiberufler muss in der Tat weder Fingerspitzengefühl haben noch auf Journalistenfragen wahrheitsgemäß antworten. Für einen ehemaligen Innensenator und CDU-Politiker wäre beides wünschenswert. Für ein Mitglied im Rechtsausschuss der Bürgerschaft wäre beides zwingend.

Offenbar hatte Renoldi in seiner „schwierigen Lebenslage“ (ein Jahr U-Haft!) den Duz-Freund Borttscheller „um Hilfe“ gebeten. Erklärt das Borttschellers Handeln als Innensenator und als Anwalt?

Das stimmt! Kommentierung und

Unterstreichungen des Borttscheller-Interviews: K.W.

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