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■ Dokumentation: Voscherau über die Hafenstraße„Lösung mit harter Hand?“

(...) In der Tat kann und darf nicht geleugnet werden, daß sich die Verhältnisse an der Hafenstraße in den letzten Jahren durch die geduldige, aber konsequente Haltung des Senats entspannt haben. Wir haben eine positive Veränderung bewirkt. Daran sollte niemand vorbeireden. Hat der Senat, habe ich selbst angesichts dieser Verbesserung der Lage und eines in Teilen der Bevölkerung spürbaren Stimmungsumschwungs den Rücken noch frei für eine Lösung mit harter Hand? Und falls nein, wie soll ich mich als Bürgermeister dazu stellen, wenn in der Öffentlichkeit die Grundlagen meiner klaren Aussagen bröckeln?

Der Einwand, die Bevölkerung wünsche sich inzwischen, daß der Senat nachgibt, ist bequem und trifft nur für Teilbereiche zu.

Daß ich den Weg des geringsten Widerstands und das gegenwärtig zunehmend propagierte „Schwamm darüber“ für unvereinbar halte mit Amtseid und Amtspflichten, wie ich sie nach bestem Wissen und Gewissen verstehe, kann niemanden überraschen.

Andererseits sollte niemand Ziel und Mittel durcheinanderbringen. Ziel war von Anfang an die Wiederherstellung des Rechtsfriedens und des staatlichen Gewaltmonopols sowie rechtsstaatlicher Normalität an der Hafenstraße.

Rechtfertigen also die zum besseren veränderte Lage und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel ein zweckentsprechend aktualisiertes Vorgehen, und welches könnte man sich vorstellen?

Zum Jahreswechsel 1993/94 habe ich dazu öffentlich erklärt: „Zunächst werden wir in der Baulücke an der Hafenstraße mit dem sozialen Wohnungsbau beginnen. Das Verhalten der Hafenstraße gegenüber diesem Vorhaben wird für uns sehr aufschlußreich sein.“ Diese vorsichtige Überlegung deutet einen friedlichen Ausweg und zugleich eine Zeit der Selbstprüfung der Bewohnerinnen und Bewohner vor aller Augen an. Denn auf der Zeitachse 1994 ist es möglich, unbeschadet der erstrittenen Vollstreckungstitel, mit dem Bau der Gebäude, die die Stadt für Wohnung und Gemeinbedarf errichten will, schrittweise so zu beginnen, daß es die unbebauten Grundstücke sind, die bebaut werden.

Bei diesem Vorgehen kann jeder zweifelnde Hamburger, jede Hamburgerin mit eigenen Augen die Probe aufs Exempel machen; gleichzeitig können die Bewohnerinnen und Bewohner den Wahrheitsbeweis antreten: Es ist ihnen ernst mit Gewaltverzicht und selbstbestimmtem Leben in guter Nachbarschaft und neuer Friedlichkeit. Wenn das so käme, wären wir nicht alle froh? Dann (nur dann!) wäre ich der erste, der sich verpflichtet fühlte zu erklären: Mein Ziel und dasjenige hunderttausender Hamburger ist erreicht. Alle weitergehenden rechtsstaatlichen Mittel sind überflüssig geworden.

Wenn die Bürgerschaft in ihrer neuen Zusammensetzung, deren Abstimmung über die Zukunft der Hafenstraße noch aussteht, sich diesen Versuch zu eigen macht, sollte er aus meiner Sicht unternommen werden. Dann sind die Bewohner selbst ihres Glückes Schmied.

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