■ Dokumentation: Aufruf des Komitees für Grundrechte und Demokratie, nur am 14.11. und in Bonn zu demonstrieren: Gegen Bluff und Schau in Berlin
Führende Politiker wollen am 8.November in Berlin „gegen Ausländerfeindlichkeit“ demonstrieren lassen. Die Präsidentin des Berliner Abgeordnetenhauses, Frau Dr.Hanna-Renate Laurien, hat mit Unterstützung weiterer Staats- und Parteifunktionäre aufgerufen. Die Spitzen der Politik, auch Bundeskanzler Kohl, haben bereits ihr Erscheinen zugesagt. Wer dort mitdemonstriert, gerät auf die Seite derjenigen, die Ausländerfeindlichkeit in hohem Maße mitverschuldet haben und heute das Asylrecht abbauen wollen.
Wir appellieren deshalb: Laßt die „Großen“ in Berlin unter sich. Für uns sind die Demontage des Asylrechts und Ausländerfeindlichkeit noch immer nur die zwei Seiten der gleichen Medaille.
Kommt statt dessen nach Bonn zur großen Demonstration der sozialen Bewegungen, Bürgerrechtsgruppen und Basisinitiativen am 14.11.
Wir stellen fest: Wer von Ausländerfeindlichkeit spricht und ausschließlich nach „rechts“ deutet, aber von der politischen Produktion dieser Ängste und Gewalt schweigt, täuscht sich und andere. Die Bundesrepublik Deutschland und ihre führenden Repräsentanten in Politik, Publizistik und anderwärts demonstrieren doppelte Moral. Sie weinen Krokodilstränen über die schlimmen Vorurteile. Sie rufen „haltet den Dieb“, sprich: die Gewalttäter und die „Scheinasylanten“. Tatsächlich sind sie es selbst, die politische Klasse, welche die Bedingungen geschaffen haben, die Vorurteile wachsen ließen. Über die Opfer des Terrors verlieren sie kaum ein Wort. Der deutschen Bevölkerung wurde dauernd vorgegaukelt, die „Scheinasylanten“ seien ein Hauptproblem der Bundesrepublik und ihres Wohlstandes. Als gefährde eine „durchmischte und durchrasste Gesellschaft“ (so der bayerische Innenminister Stoiber) das eigene Leben und seine Integrität.
Zusammen mit unablässigen Horrormeldungen über angeblich anrollende „Asylantenfluten“ aus der Tiefe des euro-asiatischen und afrikanischen Raums wurden frisierte Zahlen bewilligter und abgelehnter Asylanträge propagandistisch genutzt, um immer erneut den Eindruck zu erzeugen, daß die große Mehrheit parasitäre „Scheinasylanten“ seien.
Außerdem wurde immer wieder verschwiegen, daß den meisten derjenigen, deren Asylantrag nicht erfolgreich gewesen ist, nach der von der Bundesrepublik unterzeichneten Genfer Flüchtlingskonvention dennoch ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland zusteht. Die Arbeitsimmigranten, also diejenigen, die den Deutschen ihre Drecksarbeit abnehmen, wurden von Anfang an als Nicht-Bürger behandelt. Was Wunder, daß sich diese Ausländer bestens dazu eignen, Vorurteile auf sich zu ziehen.
Mit Hilfe eines „permanenten Appells an den inneren Schweinehund des Menschen“ (so formulierte der Sozialdemokrat Kurt Schumacher zu Zeiten der Weimarer Republik an die Adresse des nationalsozialistischen Propagandisten Goebbels) lenkten die verantwortlichen Politiker in der BRD die Bevölkerung von ihren politischen Mängeln ab, dirigierten sie auf das Pseudoproblem: „Asylanten“. So wurde Vorurteilsgewalt gegen alle Fremden politisch erzeugt.
Diese rechts-populistische Verschleierungs- und Verdummungspolitik und die grundgesetzwidrige Rechtsprechung in vielen Asylverfahren wurde zwar von den „Republikanern“ zusätzlich geschürt, aber die eigentlichen Verantwortlichen sind die „Biedermänner“ in der Regierung und an den Spitzen etablierter Parteien. Seit Jahren trommeln sie, das Asylrecht einzuschränken und EG-Europa zur Festung abzuschotten. Sie und ihre Politik, nicht aber die Asylsuchenden oder die AusländerInnen sind das Problem.
In Frau Dr.Lauriens Aufruf zur Berliner Demonstration heißt es: „Unsere Geschichte ist uns Mahnung und Verpflichtung.“ Das sagen Repräsentanten der Parteien, die das Asylrecht bis zur Unkenntlichkeit beschneiden wollen. Heuchlerischer geht es nicht! Offensichtlich soll in Berlin nicht der Ausländerfeindlichkeit der Boden entzogen werden. Vielmehr wollen jene „Biedermänner“ und „Biederfrauen“ vor aller Öffentlichkeit und vor dem Ausland ihre Hände in Unschuld waschen, um anschließend um so unbehinderter das Asylrecht grundgesetzlich verstümmeln und ihre Anti-Flüchtlingspolitik noch rigider betreiben zu können.
Dazu reichen wir nicht die Hand.
Deshalb werden wir am 14. November in Bonn demonstrieren. Über 30 Bürgerrechtsorganisationen, Friedensinitiativen, Gruppen, die sich für uneingeschränktes Asylrecht einsetzen, haben zu dieser Großdemonstration aufgerufen: „Grundrechte verteidigen, Flüchtlinge schützen, Rassismus bekämpfen.“
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