Nachruf
: Dokumentarin der Macht

■ Die Fotografin Angela Neuke ist tot

Sie war eine jener jungen Fotojournalisten, die das Bild der 68er-Bewegung geprägt haben. Kaum hatte sie ihr Studium bei Otto Steinert in Essen beendet, da fotografierte sie die Sit-ins, die heftigen Diskussionen und die Protestmärsche der Studenten in Frankfurt. Die Staatsmacht zeigte in ihren Aufnahmen häufig ein häßliches Gesicht. Die Bilder wurden in den großen Illustrierten der damaligen Zeit veröffentlicht.

Angela Neuke war eine engagierte Reporterin. Dabei keineswegs unkritisch. Den Weg in die Gewalt mancher Protestler war sie nicht bereit mitzugehen. Vielmehr galt ihr Interesse den Opfern. Auf der Beerdigung von Gudrun Ensslin schuf sie das bewegende Bild des vom Schmerz erstarrten Vaters und Pastors – inmitten einer Meute fotografierender Paparazzi.

Das Bild sollte zum Leitmotiv ihres Selbstverständnisses werden. Wachsende Skepsis begleitete ihre berufliche Tätigkeit. Die avancierte Kunst lieferte Angela Neuke die entscheidenden Anstöße zur Reflexion der Möglichkeiten und Grenzen des eigenen Mediums. „Staatstheater – Medienzirkus“ (1985 bis 1989) war das grandiose, anschauliche Ergebnis. Darin vergegenwärtigte sie den Prozeß, wie politisches Handeln durch Inszenierung des Politischen ersetzt wird. Genauer hat niemand die gängige Polit-Praxis entlarvt.

An der Universität Essen wirkte sie schon seit 1980 als Professorin für Bildjournalistik. Inzwischen haben sich etliche ihrer Schüler einen Namen als „Magazin“-Fotografen gemacht. Neben der berühmten Becher-Schule hat sich auf der deutschen Fotoszene längst eine Neuke-Schule etabliert. Ihr eigenes Werk orientierte sich immer stärker an künstlerischen Zielen. Doch nicht auf Kosten des Engagements. In den letzten Jahren hat sie sich mit den Opfern der modernen Zivilisation in Asien und Nordamerika beschäftigt. Ausschließlich in den Semesterferien.

Eine solche Expedition nach Alaska kostete Angela Neuke, 1943 in Berlin geboren, das Leben. Auf dem Flug zu den Eskimos in Alaska stürzte die kleine Propellermaschine letzte Woche ab und riß sie, ihren Lebensgefährten und dessen Bruder in den Tod. Klaus Honnef