Dokumentarfilme im Bayrischen Rundfunk: Um Mitternacht krude gemischt
Parallel zum Münchner DOK.fest zeigt der BR an vier Tagen fünf Dokumentarfilme, die nicht viel verbindet. Heute: "Arrangiertes Glück", 23.40 Uhr.
"Danke." Der in die Jahre gekommene Stammesführer steht in Nordalbanien vor seiner Bergkulisse und hat soeben die verschiedenen Dörfer in den Tälern aufgezählt. Elf sind es an der Zahl, 7.000 Menschen, deren Anführer er ist. Bajraktar von Shala ist sein Titel und doch kann der Stolz in seiner Stimme nicht ganz über den melancholischen Unterton hinwegtäuschen, den diese leicht merkwürdig erscheinende Präsentation leise durchdringt.
Es hat was von Casper David Friedrich vor seinem Nebelmeer, nur ohne Nebel. Der Bajraktar hat seine kleine Einführung beendet, sein Territorium markiert, er lächelt und bedankt sich bei seinem Besucher. "Der Bergfürst", so hat der Regisseur Philip Vogt seine Dokumentation betitelt, scheint wie ein Überbleibsel aus einer anderen Zeit, die Anwesenheit der Kamera wirkt unpassend, so dass man sich schon als Zuschauer ein wenig deplatziert fühlt.
Spätestens die Anwesenheit von Mobiltelefonen lässt die Ahnung zur Gewissheit werden, dass die Moderne auch vor Albanien nicht Halt gemacht hat und der Stammesführer nicht alles unter Kontrolle hat, wie er es anfangs noch weismachen möchte.
Mit Kontrolle oder vielmehr Unkontrollierbarkeit beginnt in diesem Jahr auch das internationale Dokumentarfilmfestival DOK.fest München. "Unter Kontrolle" widmet sich dem Thema der (Un)Sicherheit deutscher Atomkraftwerke und macht am Mittwoch den Auftakt für die 26. Ausgabe des einwöchigen Festivals. Bereits am Dienstag startete der BR parallel dazu einen Programmschwerpunkt und zeigt an vier Abenden fünf Dokumentationen, von denen eine auf dem Festival unter den "Münchner Premieren" laufen wird.
"Der Bergfürst"
Am Mittwoch zeigt Daniela Creutz ein sehr persönliches Dokument: die Suche ihres pakistanischen Partners nach einem Ehemann für seine ältere Schwester. Der Eröffnungsfilm des 2010er-Festivals, "Der Bergfürst", schildert als dritter Film den Umbruch einer dörflichen Gesellschaft zwischen ewigen Blutfehden und der Moderne.
"Die Schützes", ein weiteres sehenswertes Familienporträt Wolfgang Ettlichs, von dem bereits am Dienstag die Langzeitbeobachtung "Die Neumanns" lief und das als Beitrag auf dem Festival läuft, beendet die Reihe zusammen mit einer Doku über HipHop in New York von 2003.
So gut im Einzelnen die Dokumentationen sind, so begeistert man sein darf, dass der BR sich um solche Programmschwerpunkte bemüht, so undurchsichtig ist aber leider auch die Zusammenstellung der fünf Filme. Als Eröffnungsfilm des letzten DOK.film Festivals würde sich "Der Bergfürst" durchaus auch als Einführung in die Reihe eignen.
Die HipHop-Dokumentation fällt mit ihrem Produktionsjahr ziemlich aus der Reihe und bei fünf Filmen gleich zwei vom gleichen Regisseur zu zeigen, wirkt seltsam. Als einzig übergreifendes Element bleibt die Tatsache erkennbar, dass es sich um Eigen- und Koproduktionen des BR handelt. Womöglich hat sich ein Teil des Nebelmeers von Nordalbanien nach Oberbayern abgesetzt.
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