Dokumentarfilm "Babys": Kutschikutschikuh!
Thomas Balmès Dokumentarfilm "Babys" feiert das globalisierte Kindchenschema. Mehr als ein Zelebrieren von Niedlichkeit vor exotischer Kulisse hat der Film nicht zu bieten.
Für den unwahrscheinlichen Fall, dass Sie irgendwann wiedergeboren werden sollten und man Sie vorher fragt, wo es denn bitte schön sein soll, sagen Sie bloß nicht San Francisco. Oder Tokio. Dort haben Sie zwar später bessere Chancen auf ein Leben in Wohlstand, aber die erste Zeit wird hart: Es drohen debile Sing-Klatsch-Spiele in der Kindergruppe und stundenlanges Rumhüpfen in bescheuerten Laufenlerngeschirren im Türrahmen zur Küche, wo Mama gerade bio kocht.
Wie wäre es stattdessen mit Bayandchandmani? Oder Opuwo? Kennen Sie nicht? Lernen Sie kennen - in Thomas Balmès Dokumentarfilm "Babys". Einer Idee des französischen Schauspielers Alain Chabat folgend hat Balmès vier Neugeborene in vier Ländern durch ihr erstes Lebensjahr begleitet, von der Geburt bis zu den ersten Schritten: Hattie in den USA und Mari in Japan, aber eben auch Bayar in der Mongolei und Ponijao in Namibia. Während Hatties Papa gleich die Fusselrolle rausholt, wenn die Kleine zu lange durchs Wohnzimmer gerobbt ist, nehmen Bayars Eltern den Kleinen auf dem Motorrad mit, ohne ihm einen Helm aufzusetzen. Und Ponijao patscht Hunden ausgiebig im Maul herum. Doch Entwarnung: Nichts passiert. Beide überleben.
Die leise Kritik am Überbehüten des eigenen Nachwuchses in den Industrienationen ist aber auch schon alles an Botschaft, was Balmès seinen Zuschauern zumutet. Die damit einhergehende bizarre Verklärung des ach so reinen, ursprünglichen Lebens von Naturvölkern stört den Filmemacher nicht. Im Gegenteil: Darauf fußt das Konzept von "Babys", denn noch besser als ein niedlicher kleiner Fratz ist ein niedlicher kleiner Fratz vor exotischer Kulisse. Und wenn der dann noch gegen die Konventionen der Erwachsenenwelt verstößt, indem er etwa wie Bayar im hohen Bogen durch die Jurte pinkelt, kriegen die sich vor lauter Rührung kaum noch ein: Ach Gottchen, ist das goldig!
Durch die Konzentration auf die vier Babys, deren Zwergenperspektive die Kamera auch größtenteils einnimmt, werden ihre Eltern zu im Wortsinn gesichtslosen Statisten degradiert. Dieser Eindruck wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass Filmemacher Balmès auch an O-Tönen von ihnen keinerlei Interesse hat. Was sie sagen, ist Atmo, mehr nicht. Zumindest akustisch gut zu verstehen ist nur das ausdauernde Gebrabbel der Babys. Süß ist das schon, aber letztlich auch hohl - wie der gesamte Film, der über das Zelebrieren von Niedlichkeit nicht mal einen Babyschritt hinauskommt. Kutschikutschikuh!
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