piwik no script img

DokuWohlfühlprodukt Ostpunk

Kommentar von Andreas Hartmann

In dem Film "Too much future" erzählen frühere DDR-Punks. Nur: Wer will wissen, wie sich ehemalige Rebellen heute mit dem Alltag arrangiert haben?

Das Leben etwas aufregender machen: DDR-Punks Bild: dpa

J etzt fehlt eigentlich nur noch das Musical oder eine Theaterinszenierung an der Berliner Volksbühne. Dabei schafft es diese Dokumentation von Carsten Fiebeler und Michael Boehlke schon nicht mehr, dem bereits vorgezeichneten Bild von Punk als Selbstermächtigungsstrategie zur Dissidenz in einem Unrechtsstaat irgendetwas Substanzielles hinzuzufügen.

Ein paar Szeneveteranen von damals erzählen vor laufender Kamera nochmals davon, wie sich das Leben in der DDR angefühlt und wie Punkrock das Leben etwas aufregender gemacht hat. Mehr ist da nicht. Kaum Footage aus der Szene haben die Filmemacher Carsten Fiebeler und Michael Boehlke zusammengetragen, weil die Archive da angeblich zu wenig hergeben, aber auch wie es in der DDR ausgesehen haben mag mit ihrem Muff, gegen den man rebelliert hatte, das muss man sich stets dazudenken, wenn die paar ehemaligen DDR-Punks zu ihren endlosen Tiraden ansetzen.

All das, was sich in Ausstellung und Buch zu einem vielschichtigen Bild von Ostpunk zusammensetzt, der von der Stasi überwacht und unterwandert wurde und der eine ganz andere Entwicklung als Punk im Westen durchlief, verflüchtigt sich in einem Film. Irgendwann geht der Film auch noch dazu über, sich mehr dafür zu interessieren, was aus den Punks im Sozialismus denn nun für Ex-Punks im Kapitalismus geworden sind. Und an dieser Stelle wird es naturgemäß richtig gruselig. Der eine fährt heute Harley, der andere hat tattoomäßig so richtig zugelegt, man gibt auch als ehemaliger Punk heute seiner Ehefrau Kosenamen und versucht, im Fitnessstudio etwas gegen die Wampe zu tun.

Nur: Wer will so genau wissen, wie sich ehemalige Rebellen heute mit dem Alltag arrangiert haben? Bei der Vorabpremiere des Films in einem Berliner Freiluftkino anscheinend so einige. Dort war die Stimmung bestens, und die ehemaligen Musiker von Bands wie Wutanfall, Schleimkeim, Planlos und Betonromantik wurden begeistert begrüßt und mit grölendem Szenenapplaus bedacht.

Ostpunk scheint also langsam reif dafür zu sein, neben Ampelmännchen und Spreewaldgurken ein weiteres Wohlfühlprodukt für den DDR-Nostalgiker zu werden. Vielleicht sollte man an dieser Stelle nun auch den ehemaligen Ostlern einfach mal klarmachen: Punk ist tot.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!