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Doku über Yakuza-KinoEnthemmte Samurai

Arte geht dem japanischen Mafiafilmgenre "Yakuza" auf den Grund - kratzt aber nur an der Oberfläche (22.25 Uhr).

Schauspieler Hitoshi Ozawa in einem Yakuza-Film. Bild: arte / camera lucida

Ein wenig wundern darf man sich schon, wenn man die reißerische Dokumentation "Yakuza-Kino - Der japanische Gangsterfilm" sieht. Der Dokumentarist Yves Montmayeur hat sich affizieren, vom Genre selbst gewissermaßen tätowieren lassen. Und so verdunsten wie von selbst historische und kulturelle Kontexte, die uns begreifen ließen, wie dieses extremistische Filmgenre überhaupt hat entstehen können. Wie sich in einer derart gebeutelten Nation, die - im Verbund mit Nazi-Deutschland - zunächst maßlos enthemmt, dann vernichtend geschlagen wurde, ein so blutiges Genre zwei Jahrzehnte nach Kriegsende hat durchsetzen können? Gerade vor dem Hintergrund dieser Katastrophe. Was waren die Entstehungsbedingungen für eine bestimmte, gewaltverseuchte Massenkultur wie die Yakuza-Filme? Sie stünden in der Samurai-Tradition, hören wir immer wieder. Und was besagt das?

Von Deutschland und der Verfasstheit seiner ehemaligen Kriegsteilnehmer wurde einmal gesagt, dass nach dem Krieg die Landserromane kamen - und sich mit beispiellosem Erfolg bis in die 80er-Jahre haben halten können. Gab es etwas Vergleichbares in Japan? Oder sind die Yakuza-Filme das Äquivalent? In der Dokumentation, die mit vielen Ausschnitten und geradezu heldenhaften Reminiszenzen der Macher aufwartet (und mit ihrer Nähe zu den "echten" Yakuza kokettiert), sehen wir zwar, wie die berüchtigte Ando-Bande öffentlich, also vor laufender Kamera, ihre Selbstauflösung erklärt, doch wir verstehen nicht, was wirklich geschieht. Man stelle sich vor, die Camorra würde eine Pressekonferenz einberufen und ihren Verzicht auf künftige Verbrechen bekanntgeben. Und tschüss! Oder was? Gewiss: Kino ist auch die Kunst der raffinierten Vereinfachung. Aber manchmal darf es schon ein wenig komplexer zugehen und, wie es die Pflicht eines Dokumentaristen wäre, hinter die Kulissen geblickt werden.

Hanns Zischler ist Buchautor und Schauspieler. Er war zuletzt in Caroline Links "Im Winter ein Jahr" zu sehen.

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4 Kommentare

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  • PM
    Pas Materski

    Ich hatte ein Aha-erlebniss als ich nen Landser las.

    Seltsam, aber man sieht DEU mit anderen augen.

    Nichts hochtrabendes, eher so als würde man in der

    Kurve im Stadion mit den "Hools" mitschreien und singen, und alles hadern würde von einem abfallen.

    Astrid Lindgren und Bildung für Pensionäre.

  • M
    michaelbolz

    Wie zum Beispiel Jim Jarmuschs "Ghost Dog", dem neben der Erzählebene des Protagonisten die historische Erzählebene des "Hagakure" in der gegenwärtigen Situation des Protagonisten beigefügt ist und als dritte Ebene die Betrachtungsweise des Regisseurs selbst als diese Ebenen verknüpfende Form eines tertium comparationis.

  • M
    moritz

    ... und manchmal darf es etwas weniger akademistisch sein. Viele gesellschaften haben blutige filme hervorgebracht und so überragend oft dienen diese schlicht zur unterhaltung von publikum und macher.

  • AC
    Arne Christoffers

    Hallo,

     

    irgendwie liest sich der Artikel seltsam, nachdem ich durch Zufall kurz vorher Wikipedia dazu gelesen hatte.

     

    Auszüge:

    >>Die Yakuza berufen sich auf eine Abstammung von den Glückspielsyndikaten der Edo-Periode (etwa 1600 bis 1868). Die damaligen Yakuza bestanden fast ausnahmslos aus Menschen von „niederer Geburt“, also Angehörigen der Stände der Bauern und Handwerker, hauptsächlich jedoch der Kaufleute. Hatte man als solcher sein Land oder Geschäft durch Glücksspiel, Naturkatastrophen oder plündernde Rōnin verloren oder kam als Flüchtling vor Unruhen oder Strafverfolgung mittellos in eine neue Stadt, blieb einem nicht viel anderes übrig, als bei der Yakuza anzufragen. Diese gab einem dann eine Unterkunft und Arbeit; nicht selten zogen allein Geborgenheit innerhalb der Familienstruktur sowie Abenteuerlust und Hoffnung auf Respekt und Anerkennung unter der ländlichen Bevölkerung auch Freiwillige in die Dienste der Yakuza. Alle Polizeikräfte dagegen kamen damals aus dem Stand der Samurai, die durch die so genannte pax Tokugawa keine kriegerische Beschäftigung mehr hatten und sich auf den Schutz der öffentlichen Sicherheit konzentrierten. So entstand oft ein spannungsgeladenes Verhältnis zwischen den beiden Parteien, und die Yakuza wurden oft von den bushi als Möchtegern-Samurai ohne Ehrung des Bushidō herablassend behandelt. Trotzdem war ein Interessenkonflikt nicht unvermeidbar, und die Radikalität der verschiedenen kumi unterschied sich von Ort zu Ort stark, so gab es auch in wenigen Fällen Kooperation zwischen den beiden Gruppierungen, wenn es um Gemeindepolitik und um Anliegen der Bürger ging. Die Yakuza leitet daraus ein Robin-Hood-Image ab.[2]>Much of the current activities of the yakuza can be understood in the light of their feudal origin. First, they are not a secret society like their counterparts of the Italian mafia and Chinese triads. Yakuza organizations often have an office with a wooden board on the front door, openly displaying their group name or emblem.>In this sense, yakuza are still regarded as semi-legitimate organizations. For example, immediately after the Kobe earthquake, the Yamaguchi-gumi, whose headquarters are in Kobe, mobilised itself to provide disaster relief services (including the use of a helicopter), and this was widely reported by the media as a contrast to the much slower response by the Japanese government. For this reason, many yakuza regard their income and hustle (shinogi) as a collection of a feudal tax.