Doch keine "Three Strikes"-Forderung: CDU mottet Netzguillotine ein
Die Partei streicht harte Maßnahme gegen Raubkopierer aus einer neuen Version ihres Wahlprogramms. Dem "französischen Vorbild" will die CDU nun nicht mehr folgen.
BERLIN taz | Im Kampf gegen die sogenannte Internetpiraterie macht die CDU einen Rückzieher: Im Wahlprogramm der Partei wurde eine Passage gestrichen, die im Kampf gegen "Rechtsverletzungen" im Netz das Sperren von Internetzugängen "nach französischem Vorbild" in Aussicht stellte. Das bestätigte die Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Martina Krogmann am Mittwoch der taz. Als Begründung sagte sie: "Ich halte es für falsch und nicht machbar, im Internet unliebsame Inhalte durch Sperren oder das Kappen von Verbindungen zu unterdrücken."
In Frankreich existiert ein "Three Strikes"-Gesetz, das Providern erlauben sollte, Internetzugänge von Nutzern zu kappen, wenn dieser dreifach des illegalen Filesharings beschuldigt wird. Das französische Verfassungsrat hatte dieses Gesetz aber vor zwei Wochen gekippt. Das französische Kultusministerium will es künftig so modifizieren, dass ein Richter entscheidet, ob jemandem der Internetzugang gesperrt wird.
Das Programm der CDU bezog sich zunächst ausdrücklich auf das Vorbild Frankreich. Ursprünglich lautete die vorgesehene Formulierung: "Wir möchten nach britischem und französischem Vorbild Rechtsverletzungen effektiv unterbinden, indem die Vermittler von Internetzugängen Rechtsverletzer verwarnen und nötigenfalls ihre Zugänge sperren."
Wie Krogmann der taz sagte, soll die Passage im CDU-Programm stattdessen so lauten: "Rechtsverletzungen werden wir effektiv unterbinden." Die CDU-Frau wird mitsamt ihrer Partei seit längerem von Netzaktivisten wegen ihrer restriktiven Vorschlägen zur Internetpolitik kritisiert.
Leser*innenkommentare
s0r
Gast
Die "Three Strikes"-Forderung scheint mir gar nicht uncharmant zu sein; man sollte die Androhung unverhältnismäßiger und unkonventioneller Strafen ruhig einmal ausprobieren. Ich wünsche mir zum Beispiel, das Chefredakteure Berufsverbot erhalten, die drei mal ohne Erlaubnis aus dem Internet geklaute Privatfotos (zum Beispiel von Verbrechensopfern) drucken. Oder: Wer drei mal die Höchstgeschwindigkeit überschreitet, dessen Auto wird konfisziert.
Nicht gut? Falsche Zielgruppe? Schade.
gegenSperre
Gast
George Orwell sagte: „In Zeiten da Täuschung und Lüge allgegenwärtig sind,
ist das Aussprechen der Wahrheit ein revolutionärer Akt.“
Lionel
Gast
Früher als man es befürchten musste, haben sich die Zensurfanatiker gemeldet und die Ausweitung (Nachbesserung?) der Internetsperren gefordert. Beispiele gefällig: der CDU-Innenexperte Hans-Peter Uhl und der baden-württembergische CDU-Generalsekretär Thomas Strobl. Bei der SPD der Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz, der davon aber kurz vor der Europawahl nichts mehr wissen wollte. Sie alle können es gar nicht erwarten, ihr Geschenk so schnell wie möglich auszupacken. Die CDU mottet also nicht die Netzguillotine ein, man taktiert nur etwas geschickter. Es gibt kein Umdenken!
klar, oder?!
Gast
Na ja, die Entztguillotine brauchen sie ja jetzt auch nicht mehr, da das Kinderpornogestzt in Kraft getreten ist. Da kann man einfach die Sperrlisten erweitern um die Sachen, für die sie eigentlich gadacht waren: Die Musik- und Filmindustrie
Hans
Gast
Naja - das sagen sie jetzt noch mal kurz vor der Wahl um nicht alle zu vergraulen. Hinterher wird dann doch wieder gemacht was die Lobbyisten wollen bzw. über die Köpfe der Wähler hinweg entschieden...
Wer denen noch glaubt ist wirklich naiv.
(siehe: "die Internetsperren sind nur gegen Kinderpornographie" - noch nicht mal ein Stunde konnten sie sich zurückhalten: "Wir prüfen Ausweitung auf Killerspiele")
Kris Wenders
Gast
Das Netz ist frei, nicht der Politik wegen, sondern weil es so geplant ist.
Also eigentlich mottet die CDU die Netzguillotine nicht ein. Sie forumulieren nur anders: „Rechtsverletzungen werden wir effektiv unterbinden.“ bedeutet nix anderes, als dass man alle Möglichkeiten in Betracht zieht, auch das Aussperren.
Im Übrigen sagt ausgerechnet Frau „mit stv. BILD-Chef Draxler verheiratet“ Krogmann: „Ich halte es für falsch und nicht machbar, im Internet unliebsame Inhalte durch Sperren oder das Kappen von Verbindungen zu unterdrücken.“
DIE Frau Krogmann, die dieses unsägliche Stoppschildgesetz gegen dokumentierten Kindesmissbrauch für die CDU ausgehandelt hat, statt sich ums direkte Löschen dieses perversen Mülls zu kümmern. Mit obiger Aussage entlarvt sie sich und disqualifiziert sich in Sachen Glaubwürdigkeit selbst.
Oder um es auf Geekisch zu sagen: INTERNETAUSDRUCKER!
Benni
Gast
"Ich halte es für falsch und nicht machbar, im Internet unliebsame Inhalte durch Sperren oder das Kappen von Verbindungen zu unterdrücken."
Wie war das noch gleich letzten Donnerstag?
Unknown
Gast
Und nach der Wahl wird die Netzguillotine wieder ausgepackt.
UnrechtsfreierTraum
Gast
"Ich halte es für falsch und nicht machbar, im Internet unliebsame Inhalte durch Sperren oder das Kappen von Verbindungen zu unterdrücken."
Ah, sie hat es verstanden. Etwas spät, aber das ist ja nun auch egal.
julian
Gast
> "Rechtsverletzungen werden wir effektiv unterbinden."
Also nur eine unschärere Formulierung. Three Strikes wird in der nächsten Legislaturperiode kommen, soviel ist sicher. Wer weiß was noch alles.
Witzig übrigens dass man das CDU-Parteiprogramm bisher nur au wikileaks bekommt.
danielj
Gast
"Ich halte es für falsch und nicht machbar, im Internet unliebsame Inhalte durch Sperren oder das Kappen von Verbindungen zu unterdrücken."
Späte Einsicht. Wird sich die werte Frau Krogmann nun für eine Abschaffung des Zensurgesetzes einsetzen?