■ Das Portrait: Djordje Balašević
Djordje Balašević ist einer der wenigen Serben, die nach wie vor Einladungen in alle Teile Ex-Jugoslawiens erhalten. Im Oktober wurde er in Makedonien bejubelt, Raubkopien seiner Platten erreichen in Slowenien und Kroatien Rekordauflagen. Dabei kam der Geographiestudent aus Novi Sad, der eigentlich Sportler werden wollte, Mitte der siebziger Jahre eher zufällig zur Musik: Weil er die Angewohnheit hatte, seinen FreundInnen einfache Eigenkompositionen vorzusingen, nahm ihn die Gruppe „Žetva“ (Ernte) in ihre Reihen auf. Überraschenderweise wurden ersten gemeinsamen Aufnahmen „U razdeljak te ljubim“ (Ich küsse dich am Scheitel) und „Kristofor Kolumbo“ über Nacht zu gesamtjugoslawischen Hits. Seitdem reiht sich ein Erfolg an den anderen. Ende der 70er nahm er sogar mit Bora Djorjević von der Topgruppe „Riblja Čorba“, (Fischsuppe) „Računate na nas“ (Rechne mit uns) auf, eine Hymne an Tito.
Doch Balašević blieb nicht bei Polit-Schmeicheleien. Vielleicht hatte er die Botschaft der Punk-Band „Pankrti“ (Bastarde) verstanden, die 1980 eine eigene Version seines Tito-Schlagers mit dem Titel „Ne racunajte s nama“ (Rechne nicht mit uns) aufnahm; vor zwei Jahren avancierte das Stück zur Hymne der Belgrader Anti-Kriegs-Demonstrationen. Fest steht, daß heute niemand in Ex-Jugoslawien bezeifelt, daß Balašević einer der besten politischen Liedermacher des Balkans ist.
In Ex-Jugoslawien lieben ihn alle Foto: Tanja Ristić
Auf fast archaische Weise beschäftigen sich die einfachen, menschlichen Texte seiner Lieder mit der Region Vojvodina und der Mentalität ihrer Bewohner. Als Slobodan Milošević 1983 die politische Bühne betrat, war Balašević einer der ersten, der ihn kritisierte. Was Wunder, daß er bei Kriegsbeginn 1991 auch unter den ersten war, die einberufen wurden. Doch der Balašević zog es vor, sich anderthalb Monate in seinem Haus zu verstecken, ohne auch nur einmal über den Hof zu gehen. Dafür wurde er öffentlich zum Verräter erklärt – einmal hieß es gar, er sei gar kein Serbe, sondern Ungar. Das staatliche serbische Fernsehen boykottiert ihn bis heute, nur noch der alte Clip von „Rechne mit uns“ wird gesendet. Balašević reagierte mit „Slobodane, sloboda-ne“ (Slobodan! Das ist keine Freiheit), einem zynischen Überblick über die Politik des serbischen Präsidenten. Entsprechend seinem Wunsch wurde das Lied nie auf Platte veröffentlicht – trotzdem kennt es in Ex-Jugoslawien jeder. Petar Janjatović
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