: Diskutieren für den Frieden
Am Wochenende trafen sich 450 Teilnehmer aus ganz Deutschland zum Bundeskongress Internationalismus – ein Forum über den Krieg, in dem die Linke sich selbst begegnete
taz ■ Es gibt Kartoffeln aus einem riesigen Zinkbottich, darüber eine rote, körnige völlig undefinierbare Soße. Entspannt löffeln einige Hundert „alternativ“ wirkende Menschen vor der Bremer Hochschule ihr Essen, lümmeln sich auf den Holzbänken, genießen die Mittagssonne. Zwei lange Tage liegen hinter, einer noch vor ihnen. Sie alle besuchten am vergangenen Wochenende den BUKO 26, die 26. Ausgabe des Bundeskongress Internationalismus. Dazu aufgerufen haben verschiedene linke Gruppen aus ganz Deutschland – Friedensbewegte wie Feministinnen. Thema in diesem Jahr: „Logik-Macht-Krieg“.
„Diesmal sind ungefähr 450 Leute gekommen“, sagt Barbara Kolb vom BUKO-Team. „Letztes Jahr in Frankfurt waren es zwar mehr, aber dafür dass Bremen so weit im Norden liegt, sind wir mit der Besucherzahl ganz zufrieden.“ In Arbeitsgemeinschaften und Podiumsdiskussionen besprachen die TeilnehmerInnen die Ursachen und Funktionsweisen moderner Kriege. Gleichzeitig suchen sie nach Stategien, wie die Linke auf die neuen Realitäten reagieren kann.
Moe Hierlmeier von der AG „Die Linke und der Krieg“ weiß, was Not tut: „Wir dürfen nicht nur besserwisserisch im Abseits stehen“, sagt der 44-Jährige aus Nürnberg. Stattdessen müsse sich die Linke wieder verstärkt der politischen Praxis zuwenden und an die aktuelle Friedensbewegung ankoppeln. „Trotzdem wird es am Ende des Kongresses keine zentrale Forderung oder Aktion geben. Dafür sind die einzelnen Gruppen viel zu verschieden“, meint Hierlmeier.
Am frühen Nachmittag schlägt das Wetter um – erst ein paar Tropfen, dann plötzlich ein stürmischer Regenguss. Hastig brechen die Buchhändler ihre Tapeziertische ab, schleppen unzählige Paperback-Ausgaben von „Stupid White Men“ ins trockene Mensa-Foyer der Hochschule. Dort beginnt gerade das Podium „Sex, Race & War“. Im Mittelpunkt stehen zwei Gäste aus dem Ausland. Dana Rubin berichtet in gebrochenem Englisch von ihrer Arbeit bei der Gruppe „Black Laundry“. Schwule, Lesben und Transsexuelle aus Israel und Palästina organisieren darin ihren Widerstand gegen die repressive Besatzung der Israelis. Anschließend flimmern verwackelte Camcorder- Aufnahmen über eine Video-Leinwand: Szenen einer ausgelassenen Lesbendemo auf den Straßen von Tel Aviv. Einige Schnitte später werden die Demonstranten von dichten Tränengaswolken auseinander getrieben.
Die zweite Rednerin an diesem Nachmittag ist Mariam Rawi aus Afghanistan. Sie ist Mitglied der Revolutionary Association of Women in Afghanistan (RAWA), die sich für die Rechte der afghanischen Frauen einsetzt. „Auch nach dem Krieg gegen die Taliban hat sich unsere Situation nicht gebessert“, klagt Mariam Rawi. „Entführungen, Vergewaltigungen und Attacken auf Mädchenschulen sind bei uns an der Tagesordnung.“ Die RAWA-Frauen fordert die Säkularisierung der afghanischen Führung und Prozesse vor internationalen Gerichtshöfen gegen die Verantwortlichen. „Wir werden revolutionär bleiben!“, ruft sie zum Schluss in ihr Mikrofon und erntet begeisterten Applaus.
Nun wuseln alle wieder durch die Mensa – ein buntes Volk palavert in Kleingruppen, forstet sich durch einen diffusen Dschungel an Flyern und Aktionsbroschüren. Einige warten noch auf den Auftritt der einstigen Grünen-Vordenker Ebermann und Trampert, die am späten Abend auf die Bühne sollen. Viele machen sich schon auf den Nachhauseweg.
Und was ist rausgekommen beim BUKO 26? Vor allem die Begegnung der Linken mit sich selbst. „Auf Ergebnisse kommt es nicht an, sondern auf den Austausch von Positionen und eine fruchtbare politische Diskussion“, meint Melike Lülle. Die junge Bremerin vom Projekt „Andiamo“ kämpft in ihrer Freizeit gegen Studiengebühren, aber „gegen Krieg sind wir auch – und gegen alle anderen Schweinereien.“ Melike gefällt, dass die Leute hier klar ihre Interessen vertreten haben. Ihr Aktionismus hält sich dagegen in Grenzen: „Wir könnten alle zusammen eine Kreuzung blockieren, aber das bringt ja auch nichts.“
Torben Walaczek