piwik no script img

Diskussion um Kinderehen in DeutschlandÖzoguz gegen pauschales Verbot

Die Unionsfraktion will die Ehe unter 18 Jahren verbieten. Das könne junge Frauen ins Abseits drängen, warnt die Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz.

Schätzt die Intention, warnt aber vor Folgen des Verbots: Aydan Özoguz Foto: dpa

Braunschweig epd | Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD) sieht ein generelles Verbot von Kinderehen skeptisch. „Ein pauschales Verbot von Ehen von Minderjährigen ist zwar vielleicht gut gemeint, kann aber im Einzelfall junge Frauen ins soziale Abseits drängen“, sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Özoguz warnte vor den Folgen für die jungen Frauen. Würden ihre Ehen aberkannt, würden sie unter anderem Unterhalts- und Erbansprüche verlieren. Zudem wären ihre Kinder unehelich. „Für viele würde das sogar eine Rückkehr in ihre Heimatländer unmöglich machen.“

Die Zahl der in Deutschland geschlossenen Ehen mit minderjährigen Partnern geht seit Jahren deutlich zurück, wie die Zeitungen unter Berufung auf das Statistische Bundesamt berichteten. Gab es im Jahr 2000 noch 1.073 Eheschließungen von unter 18-Jährigen, waren es im Jahr 2005 377 und im Jahr 2015 nur 92 Hochzeiten von Kindern und Jugendlichen in Deutschland.

Laut Ausländerzentralregister waren Ende Juli 2016 insgesamt 1.475 in Deutschland lebende ausländische minderjährige Menschen verheiratet. Die meisten davon sind den Angaben zufolge Syrer, viele auch Afghanen und Iraker.

Die Unionsfraktion im Bundestag will Eheschließungen unter 18 Jahren ohne Ausnahme verbieten. Das soll auch für deutsche Jugendliche gelten. Bislang dürfen 16- bis 18-Jährige staatlich nur heiraten, wenn einer von ihnen volljährig und das Familiengericht einverstanden ist. Die CDU plant zudem Bußgelder für religiöse Eheschließungen von Minderjährigen, ohne vorherige Erklärung vor dem Standesamt.

„Wenn eine religiöse Ehe mit Jugendlichen oder gar Kindern geschlossen werden soll, so kann man nicht erwarten, dass Minderjährige immer den Unterschied zwischen einer gültigen staatlichen Ehe und diesem Ritual begreifen“, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Günter Krings, der in Düsseldorf erscheinenden Rheinischen Post.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • 16 oder 17jährige sind keine Kinder, sondern Jugendliche, denen unser Rechtssystem u.a. das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung zubilligt. Sie können KInder zeugen und müssen dann die Verantwortung dafür übernehmen. Es ist geradezu infam von Kinderehen zu reden, wenn es in WIrklichkeit darum geht, ob 16 oder 17jähtige Jugendliche weiterhin in Ausnahmefällen heiraten dürfen.

    • @vulkansturm:

      Es geht um Mädchen im Alter von 9 -15.

  • Erstaunlich, dieses Mitgefühl!

     

    Günter Krings, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, glaubt also nicht, dass Jugendliche den Unterschied zwischen einer gültigen staatlichen Ehe und einem religiösen Ritual begreifen können. Ich frage mich, ob dieser Unglaube seine Wurzeln in der eigenen, persönlichen Vergangenheit des Staatssekretärs hat, oder ob er in der ganz heutigen Überzeugung wurzelt, Afghanen, Syrer und Iraker wären intellektuell grundsätzlich minderbemittelter als Menschen aus Nordrhein-Westfalen.

     

    Übrigens: Ich verstehe die ganze Debatte überhaupt nicht. Geht es hier um Ehen, die von deutschen Standesbeamten nach deutschem Recht in Deutschland geschlossen werden, oder geht es um die Anerkennung von Ehen, die nach ausländischem Recht von ausländischen Institutionen im Ausland geschlossen wurden?

     

    Das deutsche Recht kann bleiben, wie es ist, finde ich. Wer in Deutschland nach deutschem Recht standesamtlich heiraten will, muss 18 sein – oder eine Sondererlaubnis kriegen. (Eine Sondererlaubnis, die im Übrigen nur noch sehr selten nötig ist, seit uneheliche Geburten hierzulande kein lebensbedrohliches Drama mehr darstellen und Höhere Töchter nicht mehr urplötzlich materiell abgesichert werden müssen kurz vor dem sich abzeichnenden Tod des Vaters.) Ob fremdes Recht, womöglich sogar solches aus Staaten, in denen es keine Trennung zwischen Staat und Religion gibt, in Deutschland anerkannt werden sollten, ist eine völlig andere Frage.

     

    Welche dieser beiden Fragen diskutieren wir hier eigentlich? Kann mir das mal bitte wer erklären? Oder geht es etwa wieder einmal nur darum zu zeigen, welche der in Deutschland etablierten Parteien sich als oberster Verbieter (und damit Machthaber) profilieren kann?

  • Gut gemeint - ist ja bekanntlich das Gegenteil von gut!

     

    Zu dem angeführten Rest - der sich mir so pauschal nicht erschließt -

    Mal die eine eine Frage:

    Soll das Gesetz wirklich Rückwirkung haben?

    • @Lowandorder:

      geht garnicht anders.

      und außerdem muß dies gesetz rechtsmittel aisschließen.

      wo kämen wir denn sonst hin?

  • Deutschland ist nicht berechtigt, Ehen international abzuerkennen. Vielmehr kann es nur - und das sollte auch sein, denke ich - Ehen auf dem Gebiet der Bundesrepublik die Anerkennung versagen, die der hiesigen Rechtsordnung nicht entsprechen. Selbstverständlich bleiben die beispielsweise in Syrien oder Ägypten geschlossenen Ehen aber dort wirksam geschlossen. Der Gedanke, eine Rückkehr würde unmöglich, weil die Kinder "unehelich" würden, trifft nicht zu. Lediglich in Deutschland würden die Eheleute nicht wie solche behandelt, was die Rechtsfolgen der Ehe betrifft.