Diskussion um Immunität: Schutz mit Prangerwirkung
Nachdem sich die Verdächtigungen gegen Wilko Zicht als haltlos erwiesen haben, entbrennt eine Diskussion um die Immunität der Abgeordneten.
![](https://taz.de/picture/748820/14/Kristina_Vogt_Ingo_Wagner_dpa.jpg)
„Die Anschuldigungen gegen Wilko Zicht haben sich als haltlos erwiesen“, resümierte der SPD-Fraktionsvorsitzende Björn Tschöpe. „Daher ist es nur folgerichtig und angemessen, dass die Ermittlungen gegen ihn umgehend eingestellt wurden.“
In den Raum gestellt hatten Beamte den Vorwurf, Zicht habe die Wirtin des „Verdener Eck“ versucht dazu zu nötigen, rechtsradikalen Kunden ein Hausverbot zu erteilen. Auslöser war, dass die Kneipe zum Ziel von Attacken linksgerichteten Werder-Ultras geworden war, weil sie denen als Treff von neonazistischen Hooligans galt.
Das sei „schwer nachvollziehbar“ so die grüne Fraktionsvorsitzende Maike Schaefer, „da zu keiner Zeit eine Anzeige vorlag.“ Kristina Vogt, Chefin der Linksfraktion, bezeichnete die Einleitung der Ermittlungen sogar als „fatal“. Beim Innensenator war man nicht in der Lage, zu klären, ob das Vorgehen der Polizei noch einmal überprüft wird, und vermied eine Bewertung.
Björn Tschöpe, SPD
Zugleich bestätigte Ulrich Mäurers persönlicher Referent Nicolai Roth allerdings, dass, wie von der taz geschildert, die Polizei selbst empfohlen hatte „ein Gesprächsangebot Herrn Zichts anzunehmen“, und, dass die Polizei aufgrund dieses Gesprächs einen „Prüfvorgang der Staatsanwaltschaft Bremen zur rechtlichen Bewertung“ ausgelöst hatte – was, weil Nötigung ein Offizialdelikt ist, zwingend zu Ermittlungen geführt hat.
Dass Polizei Handlungsanweisungen gibt, um in deren Befolgen den Eindruck eines Straftatbestandes zu entdecken, ist ein sehr eigenartiger Vorgang. „Das hat ein Geschmäckle“, so Vogt.
Dabei erweist sich als besonderer Nachteil das eigentlich als Schutz für Parlamente geschaffene Sonderrecht der Immunität: Wird ein Abgeordneter einer Straftat verdächtigt, muss die per Beschluss aufgehoben werden, damit die Staatsanwaltschaft überhaupt auch nur Zeugen anhören kann.
Folge: Das Verfahren erreicht, noch bevor es überhaupt begonnen hat, große Öffentlichkeit. Das sei „ein Problem der gegenwärtigen Immunitätsregelungen“, analysiert Tschöpe. Trotz der vollständigen Nichtigkeit der Vorwürfe sei Zicht nämlich „im Zuge der Berichterstattung zur Aufhebung seiner Immunität mit dem Vorwurf „versuchte Nötigung“ in Verbindung gebracht“ worden, so SPD-Fraktionsvorsitzende.
Dieser unbegründete ‚Makel‘ bleibe, kritisierte er. Deshalb sei es „an der Zeit, dass das Parlament nochmals generell über die Immunitätsregel berät“. Denkbar sei dabei aus seiner Sicht alles von einer Modernisierung bis hin zur schlichten Abschaffung der Regularien. „Mit gutem Recht lässt sich darüber diskutieren, ob die Immunitätsregelung nicht generell fallen sollte“, so Tschöpe zur taz. Schließlich biete „die Unabhängigkeit der Gerichte ausreichenden Schutz für die freie Mandatsausübung“.
Während die CDU-Fraktion „keinen Grund“ sieht, „an der Immunität für Abgeordnete etwas zu ändern“, und es vielmehr für einen wichtigen Ausdruck der Gewaltenteilung hält, „dass die Judikative mit der Legislative nicht machen kann, was sie will“, schlägt die Linksfraktion in dieselbe Kerbe wie die SPD: Durch die Immunitätsaufhebung werde jemand „öffentlich durchs Dorf getragen“, monierte Vogt. Angesichts dieser Prangerwirkung bleibe die Frage, „was bringt dann die Immunität?“
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