Diskussion um EU-Fiskalpakt: Kritik an Kompromissbereitschaft
SPD und Grüne halten eine Einigung über den Fiskalpakt vor der Sommerpause für möglich. Doch in beiden Parteien wächst der Wunsch, die Basis zu befragen.
BERLIN taz | Der Poker um die Zustimmung der Opposition zum europäischen Fiskalpakt geht in die nächste Runde. Nachdem die Parteien- und Fraktionsspitzen von SPD und Grünen nach einem Gespräch im Kanzleramt am Donnerstagabend entgegen ihrer bisherigen Einschätzung eine Einigung mit der Regierung noch vor der Sommerpause für möglich erklärten, mehrten sich am Freitag kritische Stimmen in den Parteien. Auch Bundesländer und Kommunen sehen noch viele offene Fragen.
Beim Fiskalpakt, in dem sich 25 der 27 EU-Staaten von 2014 an zu einem strikten Sparkurs mit scharfen Sanktionsmöglichkeiten verpflichten, ist die Regierung auf die Zustimmung der Opposition angewiesen, weil in Bundestag und Bundesrat zur Ratifizierung eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist.
Die Linke lehnt das Vorhaben aus inhaltlichen und rechtlichen Gründen ab; SPD und Grüne haben ihre Zustimmung mit einem Wachstumspakt, der Finanztransaktionssteuer und einem Schuldentilgungspakt verknüpft, ohne aber explizite Bedingungen zu nennen.
Am Donnerstagabend hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel erklärt, die Kanzlerin habe beim Thema Wachstum ihre „Blockade“ aufgegeben; sofern es weitere Bewegung gebe, sei eine Einigung noch vor der im Juli beginnenden parlamentarischen Sommerpause möglich. Auch der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir hatte sich optimistisch geäußert und ein „verantwortungsvolles Verhalten“ seiner Partei angekündigt.
Forderung nach Sonderparteitag der Grünen
Diese Haltung stößt in den Parteien offenbar nicht auf ungeteilte Zustimmung. In einem am Freitag auf der Webseite des EU-Abgeordneten Sven Giegold veröffentlichten Brief an den Bundesvorstand der Grünen fordern knapp 50 Unterzeichner, die Position der Partei zum Fiskalpakt auf einem Sonderparteitag zu diskutieren – darunter sind neben zahlreichen EU- und Bundestagsabgeordneten auch die Landesvorsitzenden von Berlin, Baden-Württemberg, Bayern und Thüringen sowie die Sprecherin der Grünen Jugend.
Sie verweisen darauf, dass es in der Vergangenheit „Kritik am Abstimmungsverhalten der Bundestagsfraktion bei verschiedenen Krisenmaßnahmen“ gegeben habe; darum sollte ein Parteitag „verbindlich klären, wie wir Grünen uns positionieren“.
Auch in der SPD gibt es Bestrebungen, die Basis zum Fiskalpakt zu befragen. Der Juso-Vorsitzende kommentierte die Forderung der Grünen nach einem Sonderparteitag im Onlinedienst Twitter mit dem Satz: „Sollte die SPD auch machen.“ Der Bundestagsabgeordnete Carsten Sieling sagte der taz, er erwarte, dass die Frage beim kleinen Parteitag Mitte Juni diskutiert werde.
Gebremst werden könnte die Verabschiedung des Fiskalpakts auch noch durch Kritik der Länder. Sie fürchten, dass die schon ab 2014 vorgesehene starke Begrenzung der Neuverschuldung von ihnen nicht zu schaffen ist, sodass Sanktionen drohen. Auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, sagte, auch für die Kommunen sei „eine solche Vollbremsung“ nicht realistisch.
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