Diskussion über Hamburgs Köhlbrandbrücke: „Eine absolut ikonische Form“
Der geplante Abriss der Köhlbrandbrücke ist keine gute Idee, meint Kristina Sassenscheidt vom Hamburger Denkmalverein.
taz: Frau Sassenscheidt, was ist an der Hamburger Köhlbrandbrücke so besonders, dass sie nicht abgerissen werden sollte?
Kristina Sassenscheidt: Also zuallererst ist es eines der wichtigsten Wahrzeichen von Hamburg. Auf jeder Brötchentüte, auf der eine Silhouette von Hamburg drauf ist, sieht man diese Köhlbrandbrücke. Und Hamburg hat nicht so viele Wahrzeichen.
Den Michel noch, den Fernsehturm, und vielleicht jetzt auch die Elbphilharmonie.
Man kann sie an einer Hand abzählen, und die Köhlbrandbrücke ist da auf jeden Fall unverzichtbar.
Dabei geht die Köhlbrandbrücke ja über diesen zweiten Elbarm der Süderelbe, der weg von der Stadt durchs Hafengebiet führt, man kann sie von der eigentlichen Stadt aus gar nicht richtig sehen. Es ist eigentlich eine Brücke für den Hafen.
Das stimmt. Für die meisten Hamburgerinnen und Hamburger hat die Brücke eher eine stadtbildprägende Bedeutung. Sie sehen sie von Weitem und sind da nicht regelmäßig drauf, und dann gibt es noch die, die regelmäßig über die Brücke pendeln oder mit dem LKW rüberfahren. Vermutlich haben die wenigsten die Brücke schon einmal angefasst oder sind draufgestanden. Es ist eher eine Schönheit, die man von Weitem bewundert.
1977 in Hamburg geboren, hat Architektur an der TU Berlin studiert und ist seit 2019 Geschäftsführerin des Hamburger Denkmalvereins.
Wenn man dann doch mal mit dem Auto rüberfährt, hat man das Gefühl, man schwebt über der Stadt.
Ich erinnere mich daran, wie mein Vater mit uns Kindern extra darübergefahren ist. Das ist einfach etwas Besonders, dieser Rhythmus der geschwungenen Straße mit den zwei Pylonen hintereinander …
Das sind die Pfeiler, an denen die Brücke dranhängt?
Ja, wie zwei gigantische Stimmgabeln, die in die Gegend ragen. Das ist letztlich ja auch typisch für ein Bauwerk aus der Nachkriegszeit – eine absolut ikonische Form. Sehr schlicht, sehr reduziert, sehr auf das Wesentliche konzentriert, also diese Pylone, an denen die Stahlseile hängen.
Aber sie ist marode und muss abgerissen werden, so heißt es von Seiten der Stadt.
Tatsächlich ist aber noch nirgendwo belegt worden, dass die Brücke nicht erhalten werden kann. Es gab sogar im Jahr 2008 ein Gutachten, das empfiehlt, eine Machbarkeitsstudie für den Erhalt der Brücke zu machen. Die Brücke hat Schäden, so wie viele ältere Bauwerke. Das heißt aber noch lange nicht, dass man sie abreißen muss.
Das Gutachten ist jetzt aber schon länger her.
Die Hamburger Hafenbehörde hat im letzten Jahr nochmal Nachrechnungen angestellt, und der zuständige Ingenieur hat bestätigt: Die Brücke könnte saniert werden, wenn man den Schwerlastverkehr runternimmt. Das bedeutet, dass man diesen Verkehr über eine zweite Brücke abwickeln muss, und das ist ein Szenario, das es schon gegeben hat, bevor die Brücke gebaut war.
Die Idee gab es schon in den Siebzigerjahren?
Damals gab es schon ganz konkrete Planungen für eine Zwillingsbrücke, die man bauen könnte, sobald das Verkehrsaufkommen steigt. Wir vom Denkmalverein haben ein Foto auf Instagram von einem Modell dieser Zwillingsköhlbrandbrücke gepostet. Auf dem sieht man zwei Köhlbrandbrücken – was natürlich lustig ist, weil man ein anderes Bild gewohnt ist. Aber tatsächlich war das die Idee von Anfang an.
Gibt es Sympathien in der Hamburger Politik für diesen Vorschlag?
In der SPD kaum, bei vielen Grünen durchaus. Die zuständige Wirtschaftssenatorin denkt leider aktuell nur darüber nach, entweder die Brücke neu zu bauen, aber deutlich höher, oder einen Tunnel. Deswegen haben wir ja jetzt die Onlinepetition gestartet, die fordert, auch einen möglichen Erhalt zu prüfen, bevor die Bürgerschaft im Sommer über das Thema entscheidet.
Hamburger Schule ist ja, abzureißen und neu zu bauen.
Na ja, die Brücke steht ja auch unter Denkmalschutz. Mit ihrer besonderen Konstruktion erzählt sie ganz viel Ingenieurbaugeschichte. Das könnte kein Nachbau leisten. Darüber hinaus besteht sie aus wertvollen Ressourcen, Stahl und Beton, die man weiternutzen kann. Und die alte Brücke ist ja noch in der Lage, ihren Teil zur Bewältigung des Verkehrsaufkommens beizutragen, zum Beispiel den Autoverkehr abzuwickeln.
Ein Argument für den Abriss der alten Brücke war ja die Schiffshöhe: Die Containerschiffe würden immer größer werden. Aber das ist jetzt auch vom Tisch, oder?
Das Argument ist tatsächlich ein wenig überholt, vor allem durch die globalen Hafenentwicklungen. Von den ganz großen Schiffen kommen immer weniger nach Hamburg, und das Terminal Altenwerder, das hinter der Brücke liegt, ist nur eins von vier Terminals in Hamburg. Drei Terminals liegen vor der Brücke und können sämtliche Großschiffe abwickeln, die noch nach Hamburg kommen.
Wenn die Köhlbrandbrücke stehen bliebe, würde sich das denn dann rechnen im Vergleich zu einer neuen Brücke oder einem Tunnel?
Wir sind der Überzeugung, dass das sogar mit Abstand die günstigste Lösung sein könnte. Bei einem Brückenneubau oder einem Tunnel werden die Kosten inzwischen auf über zehn Milliarden Euro geschätzt.
Der Tunnel würde teurer wegen des schlechten Untergrunds.
Ja. Und was die Stadt als Brückenneubau plant, ist eine über 70 Meter hohe Brücke, die ja eingehaust werden muss. Das ist wie ein Tunnel in der Luft, weil da oben ein unglaublicher Wind herrscht. Der Neubau einer zweiten Brücke, die nur so hoch ist wie die Köhlbrandbrücke, wäre dagegen längst nicht so aufwendig.
Und wenn eine neue Brücke architektonisch großartig wäre?
Das ist eine hypothetische Frage. Die Köhlbrandbrücke ist ein ingenieurbautechnisches Meisterwerk von internationalem Rang. So was reißt man doch nicht einfach ab!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei