piwik no script img

Diskriminierung in RumänienPrimitiver Rassismus im Wörterbuch

Eine Neuauflage des Bedeutungswörterbuchs der rumänischen Sprache enthält rassistische und antisemitische Definitionen. Jüdische und Roma-Organisationen sind entsetzt.

Enthält antisemitische und rassistische Definitionen: Die Neuauflage des Wörterbuches der rumänischen Gegenwartsspache. Bild: archiv

BERLIN taz | Eine Neuauflage des Bedeutungswörterbuchs der rumänischen Sprache hat in Bukarest heftige Debatten ausgelöst. In dem Lexikon, das unter der Schirmherrschaft der Rumänischen Akademie herausgegeben wird, findet sich neben der neutralen Bezeichnung für Juden (evreu) auch der pejorative Begriff "jidan". Allerdings wird die Bezeichnung "jidan", die als rassistisches Schimpfwort gilt, als "familiärer Begriff" definiert.

Dies steht im Gegensatz zu früheren Ausgaben des Werks, das als normativer Leitfaden für den korrekten Gebrauch der rumänischen Gegenwartssprache gilt. Das Zentrum zur Bekämpfung des Antisemitismus in Rumänien, (Center for Monitoring and Combating Anti-Semitism, MCA) reagierte promt. Dessen Leiter Maximilian Katz forderte die Akademie in einem Brief auf, die herabwürdigende Bezeichnung von Juden zu ändern.

In der 1975 erschienenen ersten Ausgabe des Wörterbuchs wird das Wort "jidan" noch als pejorative Bezeichnung erklärt. Auch die Auslegung in der Ausgabe von 1998 bezieht sich auf die pejorative und volkstümliche Dimension des umstrittenen Worts. In der jüngsten Ausgabe, die in allen Buchhandlungen ausliegt, fehlt die frühere Erklärung und die eigentliche Wortbedeutung wird durch die Umdefinierung verharmlost.

Dies stuft das MCA als eine abstoßende Beleidigung der Juden und "Ausdruck eines primitiven Rassismus" ein. "Das Wort ,jidan' bekamen zehntausende von verfolgten Juden zu hören, bevor man sie ihres Eigentums beraubte, es verbrannte und vernichtete, bevor man ihnen mit den Gewehrkolben die Knochen zermalmte, sie in die Todeszüge lud, bevor viele von ihnen ermordet wurden - aus dem einzigen Grund, weil sie Juden waren", heißt es in dem Schreiben.

Gleichzeitig wird auf den Gebrauch dieses Schimpfworts als antisemitischer Kampfbegriff rechtsradikaler und nationalistischer Gruppen Rumäniens aufmerksam gemacht und auf die vorbehaltlose Verwendung des Begriffs im Internet sowie in den Lesermeinungen der Onlineausgaben rumänischer Zeitungen.

Den besten Beweis für diese Feststellung lieferten Meinungsäußerungen von Lesern, die in der Bukarester Zeitung Jurnalul National die Meldung über das Anliegen des MCA kommentierten. "Das Wort 'jidan' ist ein geradezu milder Ausdruck, um diese Spezies von Menschen zu charakterisieren", schrieb ein Leser. Ein weiterer fügte hinzu: "Diese Nation von Spekulanten und Dieben tritt uns ständig auf den Schwanz und wundert sich auch noch, dass wir sie so sehr lieben."

In einer ersten Stellungnahme der Akademie hieß es, man habe das Schreiben von Katz nicht erhalten und könne sich zu den Beanstandungen nicht äußern. Nachdem einige Zeitungen und Radiosender den Brief zitiert hatten, erklärte der Direkter des Linguistikinstituts, Marius Sala, man werde in der nächsten Auflage die Einwände berücksichtigen und das Wort als pejorative Bezeichnung ausweisen.

Weniger gesprächsbereit zeigte sich das Institut gegenüber einigen Roma-Organisationen. Diese hatten ebenfalls die Definition des Begriffs "Zigeuner" kritisiert. In dem Wörterbuch wird der Begriff Zigeuner als "Person mit hässlichen Gewohnheiten" definiert. Die Bukarester Antidiskriminierungsbehörde erklärte, die Beschwerde der Roma-Organisationen sei begründet und forderte die Sprachwissenschaftler auf, den Eintrag zu korrigieren.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • R
    Radu

    Hier regt sich ja einer ganz schön über meine Worte auf. Wie soll ich so einer geballten Emotion entgegentreten? Naja, vielleicht treffe ich ja einen Nerv, dass sich einige in ihrem moralischen Selbstbild angegriffen fühlen.

    Sie stellen Behauptungen auf, die ich garnicht in den Raum gestellt habe. Nationale Ehre? Wissen sie überhaubt ob ich Rumäne bin? (Meine Vorfahren wurden auch in Rumänien als ethnische Minderheit verfolgt, wohlgemerkt).Sinti und Roma? Ich habe über die Sinti und Roma in Deutschland und Rumänien gesprochen und daher beide Begriffe genutzt. Auch wenn dies wieder ein einfacher rethorischer Trick ist, müssen wir uns nicht sinnlos an Begriffen aufhalten und diese aufbauschen. Ich verstehe auch nicht was sie damit beabsichtigen.

    Sie fragen mich, was ich über Rumänien weiss. Was wissen sie bitte über Rumänien? Viele meinen etwas über Rumänien zu wissen, wenn sie über Armut, Elend und jetzt über Diskrimination schreiben. Können sie mir bitte etwas über die Kultur der Roma in Rumänien erklären? Über Künstler, Schriftsteller und Politiker jüdischer Abstammung in Rumänien? Ich würde mich mal freuen wenn Autoren der TAZ auch darüber mal ein Wort verlieren würden. Und so lange sie dies nicht machen, empfinde ich es als diskriminierend, wenn man nur einseitige Tatsachen hervorhebt und sich moralisch besser fühlt. Zum Schluss stellt sich mir immer noch die Frage wer sich hier informieren muss bzw. auf welche Art. Nur über das Elend? Diskriminierung? Ja sicher, aber nur das? Diskriminiert man nicht selbst wenn man sich nur für das Elend und Diskrminierung interessiert und die Kultur der Roma, der Juden, der multiethnischen Vielfalt Rumäniens außer Acht lässt? Ist das objektiv? Es würde mich z.B sehr freuen wenn ein paar Autoren der TAZ mal was über die reiche jüdische Kultur berichten würden! Natürlich in der ganzen Bandbreite, von Kultur, Geschichte, Kunst und natürlich den Holocaust. Vielleicht wäre auch in Deutschland eine Aufklärung ins Sachen Kultur "Osteuropas" erstrebenswert bevor man "Zeigefinger" erheben kann. Gegen Kritik ist nichts einzuwenden, aber dann bitte unter Anbetracht aller Tatsachen! Herzliche Grüße:)

  • R
    @Radu

    Himmelarschundzwirn. In Rumänien leben keine Sinti!!! Aber Sie wissen natürlich bestens Bescheid, ist klar! Alles was Sie tun, ist Ihre nationale Ehre zu verteidigen. Einem TAZ-Autor vorzuwerfen, er argumentiere einseitig "mit dem deutschen Zeigefinger" ist geradezu lächerlich. Regelmäßig berichtet die TAZ über Diskriminierung von Sinti und Roma in D.

    Wie steht es denn mit der Aufarbeitung der Geschichte in Rumänien? Ist das ein Thema, die jahrhunderlange Verfolgung von Roma dort? Nein? Na, dann halten Sie doch bitte mal den Ball flach und sezten sich mal mit diesem Faktum auseinander: Roma in Rumänien sind schon von Staats wegen (!) Unterprivilegierte ohne Lobby. Das sieht in Deutschland sehr wohl anders aus - informieren SIE sich mal!

  • R
    Radu

    @Oana

    Man könnte mir zustimmen, weil ich nicht pauschalisiere. Leider wurde mein Text von Ihnen inhaltlich aus dem Zusammenhang gerissen. Ich schrieb viele Deutsche und nicht "die" Deutschen. Mein Leserbrief richtet sich gegen die Pauschalisierung. Deswegen wundert es mich, das gleiche mir vorzuwerfen. Ein Mittel aus der rethorischen Trickkiste. Tendenziell gehen viele (nicht die) Intellektuelle aus Deutschland einseitig mit Rumänien ins Gericht und wirken dabei ziemlich selbstherrlich. Viele (nicht die Deutsche) treten gegenüber "Ossteuropa" arrogant auf, mit ihren moralischen Bewertungen, ohne sich für die Zusammenhänge zu interessieren. Sie haben Recht, dass es auch in Ruänien schwierigkeiten mit Sinti und Roma gibt, dies ist sehr bedauernswert. Dennoch steht Rumänien hier nicht alleine in Europa. Auch in Deutschland gibt es Diskriminierung und z.T Verfolgung! Recherchieren sie nach! Deshalb ist es falsch wenn viele Intellektuelle meinen, mit dem erhobenen Zeigefinger auf Rumänien bzw. Osteuropa zu deuten. Wenn man Rumänien kritisiert, sollte man auch Tatsachen ansprechen, worauf man aufbauen bzw. ansetzen kann. Das machen leider sehr wenige Autoren, im Kontext zu berichten. Wenn man Rumänien so kritisert machen es sich viele zu einfach. Mit Klischhee- bzw. "schwarz- weiss" Denken schürt man auch Vorurteile.

  • O
    Oana

    @Radu Man möchte dir zustimmen, der Bericht hätte wenn auch die grundsätzliche Thematik durchaus berichtenswert ist, etwas weniger reißerisch sein können. Aber dann gehst du leider auf das selbe Niveau wie der Artikel - die Deutschen sollen den Mund halten, wegen der Zeit vor 1945? Zum einen sind das nicht DIE Deutschen, sondern ein Autor, zum anderen was hat das eine mit dem anderen zu tun. Und dann das Sinti und Roma "auch" VERFOLGT und diskriminiert werden - Freifahrtschein? Die Situation der Sinti und Roma ist in ganz Europa nicht zufriedenstellend - aber von Verfolgung kannst du nicht sprechen! Ich liebe Rumänien, aber ich glaube auch, dass wir schon einmal weiter waren auf den Weg in eine gleichberechtigte Gesellschaft. Wir sollten alle etwas tun, für ein Europa für alle Menschen!

  • R
    Radu

    Solche Berichte der TAZ über Rumänien sind auch in einer gewissen Form rassistisch! Die Schreiber der TAz, vielleicht auch dessen Leser interessieren sich nur für Klischees, wenn es um Rumänien geht. Rumänien bzw. "Osteuropa" kommt aus der Denkschublade "Rassismus und Armut" garnicht mehr heraus. Ob diese Einordnung der Realität entspricht wage ich sehr zu bezweifeln. Im Gegensatz zu einigen westlichen Ländern in Europa ist Rumänien beispielhaft bei den Umgang mit den Minderheiten. Ich möchte gerne wissen, ob es in Deutschland Universitäten, Gymnasien, Schulen, Kindergarten, Theater, Opernhäuser etc. für Minderheiten gibt, z.B für die Türkische. Das wäre hier ein Skandal! In Rumänien ist es normal, dass Minderheiten wie Ungarn, Deutsche und Juden ihre eigenen Institutionen besitzen. Es ist furchtbar zynisch von vielen deutschen Intelektuellen uns als elend und noch als rassistisch darzustellen! Der erhobene Deutsche Zeigefinger brauchen wir in Europa seit 1945 nicht mehr! Auch keine volksverhetzenden Berichterstattungen über Rumänien! Sinti und Roma werden in Deutschland auch verfolgt und diskriminiert! Man brauch nur die Hilfsorganisationen über die Rechte der Sinti und Roma in Deutschland zu befragen! Moralisch brauchen wir uns von Deutschland nicht belehren lassen!

  • V
    venetic

    @Reagenzglas: Ihr Kommentar selbst ist ein Muster der Intoleranz und Diskriminierung: Ihre Meinungen über den "Großraum Balkan", die "nicht EU-reifen Länder", die "unterentwickwelten Länder Rumänien und Bulgarien" usw, usf machen jede Diskussion mit jemandem wie Sie überflüssig!

  • H
    honest

    ja genau, weil Ausgrenzung die Leute zur Vernunft bringt und sicherlich in der Entwicklung fördert.Sowie mit Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg...was für eine Ironie

  • R
    Reagenzglas

    Wenn die EU überhaupt noch weiter existieren soll, dann bitte ohne Länder, in denen das Volk Diktatoren, religiöse Fundamentalisten und Nazi-Ideologisten in die höchsten Staatsämter hineinwählen (bspw. Ungarn). Bitte ohne Länder, in denen Kriegsverbrecher auch auf höchster Ebene verherrlicht werden (bspw. Kroatien). Bitte ohne Länder, die ihre ethnischen Minderheiten wie Ungeziefer behandeln (bspw. Slowakei). Bitte ohne Länder, die Genozide selbst nach 90 Jahren nicht eingestehen wollen (bspw. Türkei). Bitte ohne Länder, die staatliche Strukturen aufweisen, die vielleicht im 19. Jh. normal waren (bspw. Griechenland). Bitte ohne Länder, die wirtschaftlich absolut unterentwickelt und keine Chance in der EU haben (bspw. Rumänien, Bulgarien). Bitte ohne Länder, die ihre inneren Konflikte durch Mauerbau lösen (bspw. Zypern). Zusammengefasst: der gesamte Südosten Europas ("Großraum Balkan") ist noch nicht EU-reif. Und bitte eine EU ohne Megaexperimente auf Kosten der Bürger (Euroeinführung, Massenerweiterung usw).