Diskriminierung im Sportverein: Krieg der Tennismütter
Dass ein Tennisclub in Cuxhaven ein behindertes Mädchen nicht aufnehmen wollte, sorgt für Empörung. Der Verein hat sich bis heute nicht zu dem Vorfall geäußert.
Birgit Geister, Mutter eines zwölfjährigen Mädchens mit Down-Syndrom, hat sich von dem Anruf des Sportvereins Schwarz-Weiß Cuxhaven bis heute nicht erholt. Vor zehn Tagen teilte ihr die Jugendwartin des Vereins telefonisch mit, dass ihre Tochter Frances nicht mehr am Probetraining im Verein teilnehmen solle. Vor sechs Wochen hatte Frances problemlos einen Schnupperkurs beginnen können, doch nun heißt es, die endgültige Aufnahme in den Tennisclub käme nicht in Frage, weil sich die anderen Kinder in der Gruppe vor Frances fürchten würden. Die Eltern der Kinder hätten angerufen und sich beschwert.
"Zuerst war alles gar kein Problem", sagt Geister. Ein herzlicher Trainer, ein zehnjähriges Mädchen, das sich mit Frances anfreundet. Zunächst schaut die Mutter noch zu beim Training, weil sie wissen will, ob die Tochter körperlich auch mithalten kann. Doch schon nach dem dritten Termin heißt es, sie könne beruhigt fernbleiben. "Und dann kommt aus heiterem Himmel dieser Anruf." Helle Vanini, die ehrenamtliche Jugendwartin des Schwarz-Weiß, ist am Telefon: "Frau Geister, ich habe schlechte Nachrichten."
Seitdem macht die Geschichte von Frances die Runde, und die Jugendwartin hat mit wütenden Leserbriefen in den Spalten der Cuxhavener Nachrichten zu kämpfen. Wenn Helle Vanini über die Vorfälle der letzten Tage spricht, klingt sie betrübt. Nicht über den Ausschluss von Frances, sondern über ihre undankbare Rolle in einem Streit, der zu einem Kleinstadtkleinkrieg ausartet. Der Chefredakteur der Lokalzeitung Cuxhavener Nachrichten, Hans-Christian Winters, sah sich genötigt, sich gegen Vorwürfe zu verteidigen, seine Zeitung veranstalte eine "Hexenjagd" gegen den Verein und die Jugendwartin. Der Vorfall sei schon vor der Berichterstattung öffentlich gewesen - vereinsöffentlich.
Für Frances waren die Ballspiel-Tage immer das Wochen-Highlight, sagt die Mutter. Sportlich sei ihre Tochter schon immer gewesen. Schon in Münster, von wo die Familie vor zwei Jahren nach Cuxhaven zog, habe Frances Reiten und vor allem Ballspiele geliebt. Auch in Cuxhaven geht sie regelmäßig zu einer Sportgruppe.
"Wenn es das gewesen wäre, dass sie also nicht mithalten kann - das hätte ich ja noch verstanden", sagt die Mutter. Aber das war es nicht: Laut Helle Vaninis Erklärung hatten die anderen Angst vor Frances' Aussehen - und vor den Geräuschen, die Frances macht. "Also, diese Geräusche habe ich bis heute nicht gehört", sagt die Mutter.
Helle Vanini sieht sich derweil vor allem als Überbringerin einer schlechten Nachricht. Nachdem sich Beschwerden aus der Trainingsgruppe gehäuft hätten, sei der Vereinsvorstand an sie herangetreten, sagt Vanini. Sie sei nur diejenige gewesen, die der Mutter die Nachricht übermitteln musste.
Bis heute hat der Verein zu dem Vorfall nicht Stellung genommen - die Ehrenamtlerin Vanini steht ohne Rückendeckung da. Seit Jahren habe sie sich in der Jugendarbeit für das genaue Gegenteil abgemüht, sagt sie. "Alles, wofür ich hier gekämpft habe, für Integration und Inklusion - all das soll jetzt nichts mehr gelten?"
Gern weist man beim SC Schwarz-Weiß darauf hin, dass man mit der Sonderschule in Cuxhaven zusammenarbeite. Birgit Geister sagt, darüber könne sie nur lachen. Tatsächlich stellt der Verein vormittags stundenweise seinen Tennisplatz zur Verfügung. "Nur solange keine normalen Kinder da sind", glaubt die Mutter. "Das ist das Gegenteil von Integration."
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