: Diplomatische Blindheit
„Die betreffenden Länder würden es nicht mit einem freudigen Lächeln zur Kenntnis nehmen“, kommentiert das Auswärtige Amt, das das Treffen der EG– und ASEAN–Außenminister für wenig geeignet hält, die „nicht ganz unbedenkliche Menschenrechtssituation“ in den ASEAN–Staaten auf die offizielle Tagesordnung zu setzen. Selbst unter den Mitglieds– und Anrainerstaaten der EG ist die Toleranz gegenüber kulturellen Eigenheiten selten so ausgeprägt wie in Menschenrechtsfragen. Mit kulturrelativistischer Attitüde sieht das Außenministerium etwa über die rauen Verhörmethoden gegenüber politischen Gefangenen in der Türkei hinweg. Was innerhalb der Europäischen Gemeinschaft längst nicht Voraussetzung für gute Beziehungen ist - Menschenrechte einzuklagen gehört denn erst recht nicht gegenüber den ASEAN–Staaten zum guten diplomatischen Ton. Dagegen werden heute Menschenrechtsverletzungen und Militarisierung in den ASEAN–Staaten bei einer Anhörung im Weiterbildungszentrum in Düsseldorf im Mittelpunkt stehen. Die Organisatoren, unter anderem amnesty international, zielen auf eine Mitverantwortung der EG. Als Bei spiel werden Waffenlieferungen an Indonesien, das die ehemalige Kolonie Osttimor sowie den Westteil der Insel Papua Neu Guinea besetzt hält, genannt. Die finanzielle Unterstützung ökologisch unverantwortlicher Großprojekte wie des geplanten Bakun–Staudamms in Ostmalaysia zerstört den Lebensraum der ansässigen Bevölkerung. Angeprangert wird ebenfalls die Förderung von Infrastrukturmaßnahmen auf den Philippinen in Gebieten, in denen Militär sowie Bürgerwehren schwere Menschenrechtsverletzungen an Zivilisten begehen. Thematisiert wird aber auch ein Sicherheitsgesetz, das in Malaysia, Singapur und Brunei die Inhaftierung unliebsamer Personen ohne Anklageerhebung oder Prozeß für zwei Jahre erlaubt. Diese Frist ist auf unbeschränkte Zeit für jeweils zwei weitere Jahre verlängerbar. Der prosperierende Stadtstaat Singapur kann sich brüsten, neben Südafrika die längste politische Gefangenschaft zu verantworten. Chia Thye Poh ist seit 22 Jahren unter der Internal Security Act (ISA) inhaftiert. Die erneute Verhaftung von acht der 22 im letzten Jahr unter dem ISA Angeklagten am 19.April bestätigt einmal mehr den zunehmend despotischen Charakter der Regierung Singapurs unter dem Veteranen Premier Lee Kuan Yew. Ende 1987 kam es zur Freilassung aller 22 Inhaftierten bis auf einen, nachdem sie in einer Fernsehsendung öffentlich bekannten, einer marxistischen Konspiration anzugehören, die darauf abzielt, das politische und soziale System Singapurs durch Anwendung einer kommunistischen Einheitsfronttaktik zu unterlaufen, um einen kommunistischen Staat zu errichten. Am Vortag ihrer Wiederverhaftung unterzeichneten neun Personen eine Presseerklärung, wonach sie durch Erpressung und Folter zu den Fernsehaussagen gezwungen worden seien. Simone Lenz
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