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Dieter Bänisch, Hamburger Fan-Projekt"Der Angriff war ein Tiefschlag"

Die HSV-Schläger vom Bahnhof Altona sind für Dieter Bänisch vom Hamburger Fan-Projekt eine Randgruppen-Erscheinung. Echte Hooligans würden so etwas nicht tun.

Hooligans, hier vom FC Hansa Rostock, brennen im St. Pauli-Stadion Feuerwerkskörper ab. Bild: dpa
Interview von Hasmik Episkoposian

taz: Herr Bänisch, gibt es im Fußball eine Konjunktur der Gewalt durch Hooligans?

Dieter Bänisch: Das scheint so zu sein. Es scheint eine Auf- und Ab-Linie zu geben. Diese Hooligans, wie sie bezeichnet werden und sich selbst bezeichnen, gibt es seit etwa Mitte der 80er Jahre. Ab Mitte der 90er Jahre wurde es ruhiger um sie. Sie scheinen nur zu bestimmten Zeiten zu agieren und zu anderen nicht. Das ist leider eine Spiralentwicklung.

Wie bewerten Sie den Angriff der HSV-Hooligans vom Sonntag?

Diese Gewalt hat eine neue Qualität. Das sind Aktionen, die nicht einmal die Fans, die sonst sehr tolerant sind, verstehen können. Der Angriff vom Sonntag war ein Tiefschlag für alles, was man sich an präventiven Maßnahmen vorstellen kann. Es gibt leider beim HSV und beim FC St. Pauli Leute, die völlig durchgedreht sind. Ich würde sie aber nicht als Hooligans bezeichnen.

Was sind sie dann?

Das sind Randerscheinungen, die weder zu den Hooligans noch zu der Ultra-Szene gehören. Hooligans waren und sind für mich Leute, die ursprünglich in der sogenannten "Dritten-Halbzeit" boxen wollten. Sie haben sich in der Regel immer nur mit Anhängern anderer Vereine geprügelt, die sich auch prügeln wollten. Hooligans hatten einen Ehrenkodex, nach dem zum Beispiel unbeteiligte Menschen nicht zu Schaden kommen sollten, geschweige denn Frauen und Kinder. Das, was wir heute vorfinden, sind kleine Gruppen, die meinen Hooligans zu sein.

Dieter Bänisch, 57

ist Geschäftsführer des Trägervereins "Jugend und Sport" der beiden Hamburger Fanprojekte.

Wie würden Sie diese Gruppen bezeichnen?

Als aktionsorientierte junge Menschen, die vergessen haben, dass es Regeln des Zusammenlebens gibt, die Action mit Randale gleichsetzen, die die Polizei nicht als Ordnungsmacht, sondern als Gegner sehen. Das habe ich vor zwei Jahren auch beim Schanzenfest beobachtet: Ein ganzer Stadtteil hat sich über die Polizeieinsätze lustig gemacht. In der Gesellschaft herrscht Respektlosigkeit gegenüber Autorität. Dies finden wir im Fußball noch immanenter und zugespitzter vor.

Also haben die Prügelattacken von selbst ernannten Hooligans eine gesellschaftliche Ursache?

Sie haben insofern eine gesellschaftliche Ursache, wobei diese Frage einer tiefer gehenden Analyse bedarf, dass es in unserer Gesellschaft Fehler in der Bildung von Werten und Normen gibt. Man kann aber nicht sagen, die, die zum Beispiel an dem Angriff am Sonntag beteiligt waren, sind arm dran. Es gibt unter ihnen auch Leute, die gut situiert sind. Es scheint unserer Gesellschaft nicht gelungen zu sein, eine bestimmte Werteskala zu etablieren. Das ist nicht nur im Fußball der Fall.

Sie haben von jungen Menschen gesprochen. Sind es Ihrer Meinung nach immer jüngere Menschen, die in diesen Gruppierungen mitmachen?

Ja, das glaube ich schon. Ich beobachte auch im Fußball, dass es immer relativ junge Leute sind, die die Ultra-Szene toll finden und sich denen anschließen wollen. Da gibt es zwar auch 35-Jährige. Diese ziehen aber in der Regel nicht unbedingt durch die Gegend und schlagen um sich. Das finden wir eher bei den jungen Menschen.

In knapp vier Wochen findet das Stadtderby zwischen HSV und St. Pauli statt. Wie schätzen Sie die Gefahr eines Fankriegs ein?

Die Gefahr ist natürlich da. Ich hoffe jedoch, dass der Vorfall von Sonntag eine blöde Ausnahme war. Zumindest lässt die Resonanz aus beiden Fanszenen hoffen, dass die kein frommer Wunsch ist. Wir versuchen schon seit vielen Jahren gegen Gewalt vorzugehen und haben mit HSV- und FC St. Pauli-Fans zusammen schon etliche Projekte realisiert, wie den Film "Trikottausch". Wir organisieren auch gemeinsame Fahrten für HSV- und FC St. Pauli-Fans zu dem jährlich in Berlin stattfindenden Fanturnier, zu dem Mannschaften aus ganz Deutschland anreisen. Das hat bislang reibungslos geklappt.

Was können die Fanprojekte jetzt tun?

Jetzt ist es wichtig, die FC St.-Pauli-Fans davon zu überzeugen, keine Racheakte vorzunehmen. Wir hoffen, dass wir dieses Dilemma gemeinsam mit den Fans und den Vereinen in den Griff kriegen.

Was halten Sie von einer Verlegung ins Volksparkstadion?

Ich halte das für unvernünftig und völlig kontraproduktiv. Das wäre auch nicht mit sicherheitstechnischen Argumenten zu erklären. Warum sollte man das überhaupt machen? Weil ein paar verrückte HSVer St.-Pauli-Fans angegriffen haben? Auch FC St. Pauli und seine Fans würden das nicht verstehen.

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1 Kommentar

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  • H
    hage

    Wenn man von dem Ereignis nichts gehört hat, versteht man gar nicht genau worum es in dem Artikel geht. Ich steh ein bisschen auf dem Schlauch.