Diestel holte Stasi-Leute ins Haus

■ 60 Stasi-Offiziere im DDR-Innenministerium/ Büroleiter und Kripomann enttarnt

Berlin (taz) — Das DDR-Innenministerium hat am Sonntag dementiert, daß Minister Peter-Michael Diestel (CDU) Major der ehemaligen Staatssicherheit gewesen sei. Nach Angaben des Ministeriums würde dieses „Gerücht in West-Berlin verbreitet“.

Nicht dementieren konnte das Innenministerium allerdings die Tatsache, daß bis vor wenigen Tagen noch frühere getarnte 60 Stasi-Offiziere „im besonderen Einsatz“, kurz: Oibe, in seinem Hause tätig waren. Etwa der Büroleiter des Staatlichen Komitees zur Auflösung der Staatssicherheit, Dieter Stein, ist Stasi-Offizier gewesen. Auch Helmut Schulz, den Diestel zum Kontaktmann zwischen dem neuen Zentralen Kriminalamt (ZKA) der DDR und seiner Behörde einsetzte, konnte anhand der Oibe-Liste als früherer Stasi-Geheimmann enttarnt werden. Durch seine Hände gingen, wie der frühere DDR-Oppositionelle Roland Jahn für die heutige Sendung des Fernsehmagazins Kontraste herausfand, die Stasi-Akten über den Anschlag auf die Westberliner Diskothek La Belle, an denen herummanipuliert worden sein soll. In dem neuen ZKA sind eine Reihe von ehemaligen Stasi-Offizieren untergekommen.

Die Offiziere im besonderen Einsatz (Oibe), zu denen auch der Büroleiter des früheren Ministerpräsidenten Modrow, Dr. Möbius, zählte, waren eine jüngere Erfindung des MfS: In allen Institutionen und auch in großen Wirtschaftsbetrieben hatte die Staatssicherheit Schlüsselfunktionen mit Leuten besetzt, die Offiziersgehalt bezogen, von dem der zivile Lohn als Abschlag nur abgerechnet wurde.

Innenminister Diestel selbst ist seit längerem im Gerede, allerdings ohne jedes Indiz. Seine unbeschwerte Art, sich der Qualifikationen von ehemaligen Stasi-Leuten zu bedienen, haben ihn in den Augen vieler schon verdächtig gemacht. Über Diestel soll keinerlei Akte bei der Staatssicherheit existieren. Allerdings hat der ehemalige Vorsitzende des Volkskammer-Überprüfungsausschusses zur Stasi-Vergangenheit von Abgeordneten, Dankward Brinksmeier (SPD), jetzt festgestellt, daß nicht auszuschließen sei, „daß hochrangige Abgeordnete oder Regierungsmitglieder die Möglichkeit hatten, ihre Akten einfach 'wegzuziehen'.“

Die Bürgerrechtler, die sich seit einer Woche im Haus 7 des Gebäudekomplexes in der Normannenstraße aufhalten, forderen die Entlassung von Innenminister Diestel sowie aller ehemaligen Stasi-Mitarbeiter aus dem Innenministerium und dem öffentlichen Dienst. Am Sonntag gab Wolf Biermann im Anschluß an eine Kundgebung ein Konzert. K.W.