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■ Diepgen gefallen die Entwürfe für das Holocaust-Denkmal nichtKeine Frage des Geschmacks

Die Einstellung von Berlins Regierendem Bürgermeister Eberhard Diepgen zu kulturellen Belangen seiner Stadt war zuletzt durch ein Bonmot gekennzeichnet, das sein früherer Kultursenator Ulrich Roloff-Momin wiedergegeben hat. „Bei der Kultur“, pflegte Diepgen vor Senatssitzungen wiederholt zu betonen, „überkommt mich ein abgrundtiefes Mißtrauen.“ Das scheint nun ausgeräumt.

In der Entscheidung über den Bau eines Mahnmals für die ermordeten Juden Europas hat Diepgen sich nun als Kunstkritiker versucht. Der FAZ teilte er mit: Die Entwürfe, die er bisher gesehen habe, hätten ihn nicht davon überzeugt, daß es möglich sei, sich mit dem Grauen des Holocaust künstlerisch auseinanderzusetzen. Mit solchen Bedenken steht er keineswegs allein da. Auf drei umfangreichen Kolloquien und in zahlreichen Zeitungsbeiträgen sind sie sehr kontrovers erörtert worden. Wie immer man zu einem Holocaust-Mahnmal stehen mag, die Diskussion über die Fragen des Erinnerns sind eine gesellschaftspolitische Errungenschaft. Diepgens Ringen um ein ästhetisches Urteil möchte man da ohne Umschweife einreihen. Wäre er nicht einer der Entscheider über den Bau des Mahnmals, bliebe sein Geschmacksurteil ohne jede politische Relevanz. Da er aber neben dem Bundeskanzler und dem privaten Förderkreis für ein Mahnmal zu den Auslobern und letztlich auch Entscheidern gehört, verdient seine Meinung Aufmerksamkeit. Wer spricht?

Der Kritiker ist zugleich Kurator. Oder Soziologe. Oder Gesellschaftskritiker. „Im Grunde“, meint Diepgen, „sagen die vorliegenden Entwürfe mehr über die Zerissenheit der jetzigen Generation im Verhältnis zu ihren Eltern aus als über die Verbrechen des Dritten Reiches.“ Aus solch diffusem Meinungsgedümpel spricht noch immer ein abgrundtiefes Mißtrauen und ein Ressentiment gegen die künstlerische Formulierung gesellschaftlicher Fragen. Wer oder was legitimiert zur Erinnerung? Diepgens Grübeln über die Entwürfe zum Mahnmal sind leider keine Privatsache. Die Auslober haben sich ermächtigt, politische und nicht zuletzt ästhetische Fragen zu entscheiden. Eine parlamentarisch abgesicherte Legitimation besitzen sie nicht. Vielleicht ist sie nicht zwingend notwendig. Diepgen sollte sich entscheiden, welche Rolle er ausüben will. Wenn er grundsätzliche Bedenken gegen den Bau eines Mahnmals geltend macht, hat er sich als Entscheider der vorliegenden Entwürfe und letztlich des gesamten Verfahrens disqualifiziert. Harry Nutt

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