■ Zum Tod des Sanitätsfeldwebels Arndt in Phnom Penh
: Dienst am Frieden?

Alexander Arndt fand einen unspektakulären, einen „unsoldatischen“ Tod. Er starb nicht wie vor ihm siebzig andere UN-Soldaten in Kambodscha bei einem Angriff der Roten Khmer, sondern durch ein Verbrechen, dem auch jeder Entwicklungshelfer oder Tourist hätte zum Opfer fallen können. Tödliche Schüsse wie die, von denen jetzt Alexander Arndt getroffen wurde, sind in Phnom Penh zur traurigen Normalität geworden. Das war nicht immer so. Unter vietnamesischer Besatzung gehörte Phnom Penh zu den sichersten Großstädten der Welt. Ein bewaffneter Raubüberfall war damals wochenlang Stadtgespräch. Es herrschte Armut, aber sie war gerecht verteilt. Die Dollars, die mit den UN-Soldaten vor allem in die Hauptstadt geschwemmt wurden, haben diese Lage gründlich verändert. Obszön zur Schau gestellter Reichtum kontrastiert mit der Stadtarmut, die um ihr Überleben kämpft. Nach zwanzig Jahren Bürgerkrieg sind zu viele Waffen im Umlauf, als daß sie nicht zur „Umverteilung“ eingesetzt würden. Angesichts von Jahrzehnten des Kriegs und des Terrors ist es eher erstaunlich, daß noch so wenige Verbrechen dieser Art geschehen. Die Kriminalität in Phnom Penh ist heute auf dem Niveau einer deutschen Großstadt, aber noch immer weit unter dem einer US-Metropole.

Die UNO-Mission in Kambodscha, die bislang größte in der Geschichte der Vereinten Nationen, hat harte und berechtigte Kritik erfahren. Etliche der mehr als 20.000 UN-Soldaten widmeten sich dem peace-keeping vor allem in den zahlreichen, neueröffneten Bordellen. Gleichwohl konnte die United Nations Transitional Authority for Cambodia (UNTAC) nicht nur die Rückkehr von fast 300.000 Flüchtlingen aus Thailand sicherstellen, sondern auch demokratische Wahlen organisieren. Nach diesen Wahlen haben sich die einstigen Feinde, Prinz Norodom Sihanouk und der von den Vietnamesen eingesetzte Premierminister Hun Sen, in einer Übergangsregierung zum historischen Kompromiß gegen die Roten Khmer vereint. Aber selbst die schärfsten Kritiker der UNTAC müßten anerkennen, daß der deutsche Beitrag über jeden Zweifel erhaben ist. Die Sanitätssoldaten und Ärzte der Bundeswehr haben in der kambodschanischen Hauptstadt mit deutscher Gründlichkeit und hohem Arbeitsethos ein Hospital aufgebaut, in dem sie gratis Hunderte von mittellosen Kambodschanern aufnahmen, die sich eine Behandlung im Krankenhaus nie hätten leisten können. Die Sanitäter und Ärzte der Bundeswehr im „Haus der Engel“, wie es in Phnom Penh genannt wurde, haben unbewaffnete humanitäre Hilfe geleistet, statt wie ihre bewaffneten Kollegen in Belet Huen im Rahmen einer mißratenen UN-Aktion auf indische Soldaten zu warten, die doch nicht kommen.

Zwischen dem Einsatz in Kambodscha und dem in Somalia sowie allen kommenden Versuchen bewaffneter „Entwicklungshilfe“ der Bundeswehr muß deshalb differenziert werden. Es ist sogar, aus gutem Grund ein seltenes Ereignis in der taz, dem Bundeskanzler zuzustimmen, wenn er den für Arndt tödlichen Einsatz als „Dienst am Frieden“ charakterisiert hat. Daß auch solche Missionen tödliche Risiken bergen, war von Anfang an klar. Ob sie zu rechtfertigen sind, ist eine Frage, der sich gerade auch die Kritiker der Außenpolitik von Kohl, Kinkel und Rühe zu stellen haben. Michael Sontheimer