Diebstahl 100 km von Winnenden: Waffen aus Amt gestohlen
In Baden-Württemberg geben seit dem Amoklauf von Winnenden tausende Bürger freiwillig ihre Waffen ab. In Crailsheim sind sie im Ordnungsamt gleich wieder geklaut worden.
STUTTGART taz | Eigentlich waren die Waffen im Crailsheimer Ordnungsamt sicher verwahrt. Elf Pistolen, samt Munition, in einem massiven Tresor, gesichert durch mehrere Schlösser. Darauf hatten es die Diebe vermutlich nicht abgesehen, als sie am 11. oder 12. Juni ein Fenster aufhebelten, ein paar Schränke und Schreibtische knackten und 2000 Euro fanden. Allerdings fanden sie auch den Schlüssel zum Tresor, der durch ein zusätzliches Zahlenschloss gesichert ist. Die Schutzmaßnahme stellte jedoch kein wirkliches Hindernis dar: Ein Mitarbeiter hatte die Ziffern in der korrekten Kombination hinterlassen, die Diebe konnten sich einfach bedienen.
Die Staatsanwaltschaft hat einen Anfangsverdacht wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz, der Crailsheimer Oberbürgermeister Andreas Raab spricht gegenüber der taz von einer „Verkettung unglücklicher Umstände“. So etwas könne passieren, die Mitarbeiter seien sonst sehr zuverlässig, man habe nun „organisatorische Veränderungen“ vorgenommen.
Der Fall ist mehr als eine Provinz-Posse, denn potentielle Fälle wie in Crailsheim gibt es im ganzen Land. Kurz nach dem Amoklauf von Winnenden am 11. März diesen Jahres hatte der Landrat des Rems-Murr-Kreises, Johannes Fuchs, die Bürger zur freiwilligen Abgabe ihrer Waffen aufgerufen. Er richtete eine Hotline ein, in der sich Besitzer anonym beraten lassen konnten und schrieb später alle Waffenbesitzer in seinem Kreis an, und bat sie, nicht benötigte Waffen und Munition abzugeben. Fuchs trat damit eine Lawine los: Im ganzen Land schlossen sich Bürgermeister und Landräte dem Aufruf an. Fast 1300 Waffen haben Bürger im Rems-Murr-Kreis seither abgegeben, die großen Städte nicht mitgerechnet. Der Sprecher des Regierungspräsidiums Stuttgart, Clemens Homoth-Kuhs, spricht von zehn Tonnen Waffen im ganzen Land, etwa 5000 Gewehre, Pistolen, Messer oder Bajonette seien das, schätzt er. Vernichten muss sie der 34 Personen starke baden-württembergische Kampfmittelbeseitigungsdienst, ebenfalls Regierungspräsidiums Stuttgart angesiedelt.
Die Angestellten des Dienstes arbeiten am Anschlag und schieben Überstunden, sagt Homoth-Kuhs. Seine Hauptaufgabe ist normalerweise das Entschärfen von Weltkriegsbomben. An 146 Stellen können in Baden-Württemberg Bürger ihre Waffen abgeben, in Städten auf Ordnungsämter wie in Crailsheim, sonst auf den Landratsämtern. Im Rems-Murr-Kreis werden die Waffen alle paar Tage abgeholt, sagt ein Sprecher. Manche Ämter transportieren sie auch unter Polizeischutz direkt zum Beseitigungsdienst, der sie in einem Bunker lagert und später in Öfen vernichtet.
Mit dem am Donnerstag im Bundesrat verabschiedeten, neuen Waffengesetz könnten demnächst noch mehr Waffen in den Ämtern vorübergehend zentral gelagert werden müssen. Es sieht auf Initiative des Landes Baden-Württemberg eine Amnestie für den Besitz illegaler Waffen bis zum 31. Dezember 2009 vor. Wer sie bis dahin abgibt, soll straffrei ausgehen. Momentan geht das bei illegalen Waffen nur, wenn sie geerbte oder gefunden wurden.
Die Idee der Amnestie geht ebenfalls auf Landrat Fuchs zurück, auf dessen Hotline Besitzer illegaler Waffen anriefen, die sie aufgrund des Amoklauf nun loswerden wollten. Die Antwort bisher: Die Beamten auf den Ämtern sind verpflichtet, den Besitz anzuzeigen – wer sie also abgeben will, wird bestraft. Sollte der Bundesrat dem neuen Waffengesetz ebenso zustimmen, stellt sich die Frage, ob die Kampfmittelbeseitigungsdienste der Bundesländer die Waffen schnell genug entsorgen können. „Das bereitet uns schon Kopfzerbrechen“, sagt Homoth-Kuhs. Den Fall in Crailsheim möchte er nicht weiter kommentieren.
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