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Das PorträtDie weiße Socke

■ Arved F. Semerak

Er ist ein Mann der klaren Worte, und wenn er „Frühstücksdirektor“ gescholten wird, dann kommt seine Antwort umgehend und knallhart: „Überrascht“, sagt Arved F. Semerak, sei er und ein bißchen „verärgert“, aber getroffen habe ihn die jüngste Kritik nicht. Seit dem 8. September vorigen Jahres ist er Polizeipräsident in Hamburg, und gutunterrichtete Kreise wollen wissen, daß der 57jährige Christdemokrat es bereits die längste Zeit gewesen sei. Gestern forderten gar die Christdemokraten der Hansestadt den Rücktritt ihres eigenen Parteifreundes; und wenn eine Krähe beginnt, einer anderen die Augen auszuhacken, wird es gemeinhin ernst.

Als „starken Mann“ hatte vor einem Jahr Hamburgs Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) den damaligen thüringischen Landespolizeidirektor aus Erfurt an die Elbe geholt, weil er der „Garant“ sei für den „notwendigen offenen Prozeß“ in der Polizei des Stadtstaates, die durch den Hamburger Polizeiskandal mächtig in Verruf geraten war. Viel bewegt hat Semerak seitdem allerdings nicht; die größte Schlagzeile gelang ihm Ende vorigen Jahres, als die Klatschreporterin eines Boulevardblattes zu vermelden wußte, der Polizeipräsident habe bei einer Gala „weiße Socken zum Smoking“ getragen.

Vor allem seine eigenen Beamten fühlen sich von Semerak im Gewitter stehengelassen: Der Chef habe kein Rückgrat, keine Ahnung von Großstadtkriminalität und gegen politisch verordnete Haushaltskürzungen habe er sich auch nicht zur Wehr gesetzt, lautet die Anfang der Woche erstmals öffentlich geäußerte Kritik aus dem Apparat. Er habe halt manches nicht durchsetzen können gegen den Senator, gesteht nun Semerak kleinlaut und beklagt, daß in Hamburg „der politische Einfluß auf die Polizei viel stärker ist als in anderen Bundesländern“. Daß das gute Gründe hat, läßt er vorsichtshalber unerwähnt: Was aus einem Polizeiapparat werden kann, dem die Politik die lange Leine läßt, hat gerade der Hamburger Polizeiskandal bewiesen. Aber an dem, so hatte Semerak schon bei seiner Amtseinführung erklärt, seien nur „ein paar schwarze Schafe“ schuld, und die gebe es „eben überall“. Daß er jenen nun als weißes Schaf gilt, liegt aber nicht nur an den gleichfarbigen Socken. Sven-Michael Veit

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