■ Die wahre Enttäuschung über das Champions-League-Finale: Warum, Manchester United, warum?
Tja, warum? Das ist die Frage, die gestern offenbar fast ganz Deutschland diskutiert hat . Warum hat Bayern München das Finale der Champions League noch verloren? So, Achtung: tragisch? Und (jetzt alle): „grausam“?
Zunächst einmal: Eine Tragödie ist das nicht gewesen. Für manche Engländer ist es sogar die längste Pointe der Welt. Tatsächlich hat das Erlebnis aber viele Deutsche emotional geschüttelt. Das liegt zum einen daran, daß die Bayern trotz mancher Antipathien inzwischen in Ermangelung eines relevanten Nationalteams für die nationale Identifikation herhalten müssen. Zum anderen an der Bedeutung des Spiels. Und natürlich an der Verdichtung der Ereignisse auf eine zugegeben dramatische, die allerletzte Minute. Die Ereignisse selbst bestanden darin, daß diverse Bayern-Profis bei dem Abwehrversuch von zwei Eckstößen irrationale Fehler gemacht haben. Warum wehrte Fink zur Mitte ab? Warum lief Scholl zur Seite? Warum schubste Kahn Kuffour weg? Antworten gibt es auf dieser Ebene nicht.
Man kann das Ganze auch in größeren Zusammenhängen und vom Ergebnis her zu fassen versuchen. So: Franz Beckenbauer, Bayern-Präsident und deutscher Fußballgott, hat eben seinen Midas-Touch verloren. Oder: Der deutsche Fußball hat seine Tugenden (u. a. das Durchhaltevermögen) verloren. Oder: Große Titel gewinnen derzeit nur Teams, die sich offiziell zur Viererkette bekennen. Das ist alles so richtig wie falsch – und nebensächlich.
Das Relevante ist (auch wenn man um die Bedingtheit von Finals weiß): Es war ein Spiel, das weder jenen hochwertigen Angriffsfußball auf den Punkt brachte, mit dem Bayern München im Lauf der Saison den deutschen Spitzenfußball entstaubt hat. Und schon gar nicht jenen modernen, spektakulären Angriffsfußball, mit dem Manchester United in dieses Finale gestürmt war. Warum nicht, United? Aus diversen Gründen, teilweise nachvollziehbar. Warum nicht, Bayern? Dito. Dennoch ist das die wahre Enttäuschung: Daß die Möglichkeit vergeben wurde, bleibend und stilbildend zu spielen – gerade auch vor den Augen all jener, die es sonst nicht so haben mit Systemen und Verschiebungen. Was bleibt, ist bloß ein Volksspektakel gewesen. Daraus muß man keinen Mythos machen. Oder soll man einst von Stefan Effenberg sagen: Der war dabei, als Bayern in letzter Sekunde durch dußlige Fehler zwei Gegentore bekam? Das ist doch nur banal. So ist Fußball? Ja. Und: So ist Fußball nicht. Peter Unfried
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