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Die wachsende Macht der FußballanhängerDie Wutfans kommen

Ob in München, Stuttgart oder Gladbach – Bundesligisten müssen sich mit organisierten Fans auseinandersetzen, die größeren Einfluss auf ihre Vereine gewinnen wollen.

Fußball 21: Demonstration im Münchener Block. Bild: dpa

Ein wenig ist dieser Satz im Trubel der letzten Wochen untergegangen. Dabei hat Felix Magath die Bundesliga vor einer ernst zu nehmenden Entwicklung gewarnt: "Wir müssen auf die organisierten Fans aufpassen, die einen immer größeren Einfluss auf die Vereinspolitik nehmen wollen." Dass gerade Magath die Fußballanhänger als zunehmende Gefahr betrachtet, könnte man seiner fast schon manischen Machtbesessenheit zuschreiben. Aber er spricht zweifellos Bemerkenswertes an.

Noch nie haben Fußballfans auf ihre Interessen so massiv aufmerksam gemacht wie in dieser Saison. Fußballfeuilletonisten haben in Anlehnung an die Protestbewegung gegen Stuttgart 21 schnell ein griffiges Etikett gefunden: Statt von "Wutbürgern" ist jetzt von "Wutfans" die Rede. Doch die Ansatzpunkte der Aufbegehrenden sind zu unterschiedlich, um sie kurzerhand unter einen Begriff zu subsummieren.

Anlass für Magaths Bemerkung waren die vehementen Proteste der Anhänger des FC Bayern beim Spiel gegen Gladbach. Zahlreiche Fanklubs, die sich zur Initiative "Koan Cent! Koan Neuer! Koa One-Man-Show!" zusammengeschlossen hatten, wandten sich im Stadion mit provokativen Plakaten gegen Uli Hoeneß, den Vereinspräsidenten.

Die Gründe: Dieser beabsichtigt ungeachtet früherer Aussagen, dem Lokalrivalen 1860 München finanziell entgegenzukommen, und er zählte damals schon zu den Befürwortern der Verpflichtung des Torwarts Manuel Neuer, der sich bis zuletzt zu einer Gruppierung der Schalker Ultra-Szene bekannte, in der er als Jugendlicher aktiv war. Es war eine kurzfristig organisierte Demonstration derben Unmuts, nach der Hoeneß sichtlich um Fassung ringen musste.

Die Initiativen sprießen

Längerfristig orientierte Projekte sprießen indes in dieser Saison bei etlichen Vereinen. Sie heißen "FC Reloaded" (Köln), "Aktion VfB 2011" (Stuttgart), "Initiative Borussia" und "Mitgliederoffensive" (Mönchengladbach), "Wir sind VfL" (Bochum). Gemein ist den Faninitiativen das Vorhaben, wie Stefan Müller-Römer vom "FC Reloaded" sagt, Vereine "demokratischer und krisensicherer" zu machen. "Eine Gruppe von Kumpels, von denen einige Exfußballer sind und die jetzt ohne wirkliche Kontrolle unseren Verein vor die Wand fahren, darf es künftig nicht mehr geben."

Für Müller-Römer resultiert der gesteigerte Partizipationswille der Fußballfans aus der anhaltenden Misswirtschaft vieler Klubs, die immer sprunghafter handeln. Die Vereinsführung dürfte nicht wie in Köln vorschlagen können, wer sie kontrollieren soll. Die Mitglieder sollten mehr mitbestimmen können.

Wilko Zicht vom "Bündnis aktiver Fußballfans" sagt: "Es staut sich da offensichtlich etwas auf. Ich halte es auch für sinnvoll, Mitgliedern strukturelle Möglichkeiten zur Intervention zu geben, falls die Vereinspolitik einmal zu sehr nach den kurzfristigen Interessen eine Sponsors oder eines ehrgeizigen Präsidenten ausgerichtet wird."

Mit Vereinssatzungen beschäftigt sich Georg Maier von der Ultra-Gruppierung "Schickeria München" selten. "Das ist sehr trocken", sagt er: "Wir haben einen anderen Ansatz. Wir sehen uns als Grassroots-Bewegung. Wir heben den Zeigefinger, wenn etwas gravierend schiefläuft." So wie die Schalker Anhänger gegen die Allmacht von Magath ihren Unmut gezeigt haben, habe man auch beim Protest gegen Uli Hoeneß auf vereinsinterne Missstände aufmerksam gemacht.

Dass sich die Münchner "Schickeria" als Hauptinitiator dieser Aktion herbe Vorwürfe gefallen lassen musste, verwundert Maier nur teilweise. "Klar, beim FC Bayern gilt Kritik als Majestätsbeleidigung. Aber es ist schade, wenn selbst liberale Zeitungen, die ansonsten jede emanzipatorische Protestbewegung mit Sympathie begleiten, unser Anliegen diskreditieren, indem sie uns als Spinner abtun. Dem liegt ein doch sehr klischeebeladenes Bild vom Fan zugrunde."

Die Ignoranz, mit der Klubführungen Faninteressen behandeln, hält Georg Maier für einen wesentlichen Faktor, warum in der Bundesliga die Proteste derzeit eine neue Dynamik entfalten. Verstärkend käme hinzu, dass es organisierte Fanstrukturen noch gar nicht so lange gebe. Zu schnell agierenden Einheiten werden sie auch dank neuer Kommunikationswege wie Facebook und Twitter.

"Wir wollen das Beste für den Verein"

Die Angst vor dem vermehrten Einfluss der Fans, die Magath verbalisiert hat, kann Maier nicht nachvollziehen. "Unsere irrationale Leidenschaft und Kreativität könnte man als Verein auch gewinnbringend nutzen. Wir wollen das Beste für den Verein, die Ansichten überschneiden sich mit der Klubführung doch zu 80 Prozent."

Ähnlich einem Ältestenrat, so seine Vorstellung, könnten die Fans aus der Kurve eingebunden und zu Rate gezogen werden. Dem von der Klubführung erhobene Vorwurf, einzelne Fangruppierungen nehme sich da viel zu wichtig, entgegnet Maier, es ginge um die Fanbasis, die gar nicht die unterstellten Eingriffe ins Tagesgeschäft des Vereins fordern würden. Auch die Ultras hätten jenseits des Fußballs noch etwas anderes zu tun.

Folgendes aber versteht Georg Maier nicht: "Die behaupten immer, wir wären ein Faktor für den sportlichen Erfolg, da die Stimmung, für die wir sorgen, wichtig für die Mannschaft sei. Dann muss man uns doch mit unseren Anliegen ernst nehmen."

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5 Kommentare

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  • J
    ...journal

    Es ist doch wirklich bemerkenswert, wie naiv die Vereinsführungen auf die Aktionen reagiert haben.

    Das Dauerkarten-Besitzer, Fan-Artikel-Käufer und

    Identitäts-Suchende-im-Fußball-Findende auf die

    anhaltende Verwirtschaftlichung ihrer Vereine reagieren ist wichtig!

     

    Es sei denn, es ist erwünscht, daß in kommenden Jahren ähnliches wie in der Basketball Bundesliga (BBL) oder Deutschen Eishockey Liga (DEL) passiert, wo die Vereine teilweise nicht mal mehr mit einer Stadt in Verbindung gebracht werden, sondern mit Sponsoren (Deutsche Bank Skyliners oder Thomas Sabo Ice Tigers).

     

    Ebensowenig wie das identitätsstiftende Potential der Fußballvereine mißverstanden werden darf, sind Marken und kapitalistische Etikette in ihrer Bedeutung nicht zu ignorieren!

     

    Überspitzt ausgedrückt, lässt sich fragen/sagen:

     

    Womit identifizieren wir uns (als Verein/als Einzelner)?

     

    Was bedeutet Professionalität und Söldnertum?

     

    Es geht nicht um Differenz, sondern um bestimmte Werte!

     

     

    Ein gruß, vom (zwischenraum, gießen)

  • Z
    *zwinker*

    taz zahl ich... nicht, weil der gleiche Artikel auch in der Zeit erschien.

  • L
    Leviathan

    Der Unterschied zwischen "Fanbelangen" und der "strukturellen Möglichkeit einer Intervention von Mitgliedern" ist entscheidend und oftmals (leider) nicht gleichzusetzen, denn das Eintreten für Fanbelange betrifft meistens eine kleine bis sehr kleine Gruppe, die aber im Gegensatz zum großen Rest der Stadionbesuch, diese lautstark oder optisch eindrucksvoll präsentieren.

    Man instrumentalisiert eine ganze Kurve, schafft sich somit eine sonst so ungeliebte Öffentlichkeit in den Boulevardmedien, und fühlt sich dann als ernstzunehmeder Kritiker, der im Wohle des Vereins handelt.

    Dass der so eingeschlagene Weg oft zu nochmehr Isolation, ob innerhalb der "Fanszene" oder zu den Vereinsorganen, führt sollte eigentlich klar sein.

    Der Wunsch nach Mitbestimmung an einem Millionenunternehmen, für das man viel Zeit und Geld investiert, ist groß.

    Die greifbare Möglichkeit der Einflußnahme leider oftmals gering, zudem man sich ungern mit den "sehr trockenen" Vereinssatzungen auseinandersetzen möchte.

    Persönliche Eitelkeiten oder gern ausgelebte Rivalitäten als Aktionen zum Wohle des Vereins zu verkaufen wirkt dann leider nur zu billig.

    Dass es anders funktionieren kann zeigen Beispiele aus Essen und Hamburg, wo man mit den Vereinen gemeinsam für das Verbot gegen Pyrotechnik und einem Freundschaftsspiel gegen RB Salzburg streitet.

  • O
    ..ooO

    Das Fußball-Volk will den Sturz der Fußball-Regimes.

  • R
    rolfmueller

    Das wär' ja Demokratie, igitt!