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Die vier Phasen der GlobalisierungskritikDer Zyklus des Protests

Beim Weltwirtschaftsforum in Davos wird man die vierte Phase der globalisierungskritischen Bewegung beobachten können. Bei Occupy wird sich der Prozess wiederholen.

Blank ziehen – ein typischer Ausdruck von Phase drei. Hier beim Europäischen Sozialforum in Malmö 2008. Bild: reuters

Es wird wieder eine gepflegte Veranstaltung werden im Hotel Montana. Die Herberge im Schweizer Skiort Davos ist von der Art, dass gekreuzte Skier über der Tür zum Tanzsaal hängen. 250 Menschen in Wollpullovern werden sich dort am kommenden Freitagmittag beim Duft von Kakao mit Schlagsahne zusammenfinden und verächtlich murren, wenn US-Ökonom Joseph Stiglitz die Verfehlungen globaler Konzerne anprangert.

"Public Eye Award" heißt das zwölf Jahre alte Ritual. Über Menschen und Firmen, die nicht dabei sind, erzählen sich die Anwesenden schlimme Dinge. Am Ende verleihen sie einen Preis an den "skrupellosesten Konzern" der Welt. Folgen für die Firmen wird das keine haben.

Im Hotel Montana kann man die Reste der globalisierungskritischen Bewegung beobachten. Viel ist nicht übrig geblieben. Aber ist sie deshalb erfolglos gewesen? Keinesfalls! Sie ist nur auf der letzten Stufe angekommen. Oder, wenn man so will, am Beginn eines neuen Zyklus.

Diesen Text finden Sie zusammen mit vielen weiteren spannenden Artikeln und Interviews in der aktuellen sonntaz vom 21./22. Januar 2012. Am Kiosk, eKiosk oder im Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz

Reagan, Thatcher und Kohl haben die Welt in den Achtzigern gefügig gemacht. Blair, Clinton und Schröder vollendeten in den Neunzigern die Befreiung des Geldes vom Gesetz. Nur privater Reichtum ist guter Reichtum. "Jede Steuer ist zu hoch", postuliert Ökonom Milton Friedman.

Public Eye Award

Die Abstimmung: Im Internet stehen sechs Unternehmen zur Auswahl, die von Bürgerinitiativen und Protestgruppen vorgeschlagen wurden. Jeder kann mitstimmen: www.publiceye.ch

Die Organisatoren: Vergeben wird der Preis von der Entwicklungsorganisation Erklärung von Bern und Greenpeace Schweiz.

Die Kandidaten: Gute Chancen auf den ersten Platz hat der japanische Atomkonzern Tepco, dem die Kritiker die Verantwortung für die Katastrophe von Fukushima zuweisen. Das brasilianische Bergbauunternehmen Vale wurde unter anderem nominiert, weil es einen Staudamm im Amazonasgebiet baut – Umsiedlungen und Umweltzerstörungen inklusive. Dem Elektronikkonzern Samsung wird die Beeiträchtigung der Gesundheit von Arbeitern vorgeworfen, die Barclays-Bank treibt mit Finanzspekulationen offenbar die Preise für Grundnahrungsmittel in die Höhe, der Minenkonzern Freeport McMoran soll in West-Papua die Umwelt verseuchen und Syngenta Bauern mit Pestiziden.

Am 1. Dezember 1999 verhindern 40.000 Demonstranten in Seattle, dass UN-Generalsekretär Kofi Annan und US-Außenministerin Madeleine Albright mit ihren Karossen zur Tagung der Welthandelskonferenz fahren. Steine, Schlagstöcke, Verletzte, Ausgangssperre – ab jetzt spricht man von der Bewegung der Globalisierungskritiker.

Während in Davos wie immer im Januar das Weltwirtschaftsforum tagt, organisieren die Kritiker im Jahr 2001 im brasilianischen Porto Alegre ihre Gegenveranstaltung, das Weltsozialforum. Jeder kann seine Analysen und Rezepte gegen den schrankenlosen Kapitalismus einbringen.

Linke in Frankreich, Deutschland und anderen Ländern gründen Attac und fordern die Einführung einer globalen Steuer auf Finanzgeschäfte. Die Kanadierin Naomi Klein erklärt in ihrem Buch "No Logo", wie man die anscheinend allmächtigen Konzerne mit ihrer eigenen Waffe schlägt, dem Image.

"Eine andere Welt ist möglich" lautet das Motto der Bewegung. Es ist mitreißend, großartig, aber zu groß und unbestimmt, um realisiert zu werden. Nicht nur die Weltsozialforen zerfasern in regionale Veranstaltungen, auch die globale Bewegung besinnt sich auf ihre unterschiedlichen konkreten und handhabbaren Anliegen – den Kampf für sauberes Trinkwasser, das Recht auf Nahrung, gegen die Privatisierung öffentlichen Eigentums, für höhere Steuern auf Kapital, gegen Menschenrechtsverstöße von Unternehmen.

Im Geiste von "No Logo" vergeben ab dem Jahr 2000 Schweizer Aktivisten parallel zu Davos ihren Schmähpreis an sozial und ökologisch unverantwortliche Unternehmen. Weil es in vielen Ländern ähnliche Initiativen gibt, sehen die Konzernvorstände ein, dass sie auf die globale Rufschädigung reagieren müssen, wenn sie ihr Geschäft retten wollen.

Die Verleihung des Public Eye Award mögen sie ignorieren, doch im Großen und Ganzen stehen die Unternehmen unter zunehmendem Druck einer weltweiten Öffentlichkeit politisch bewusster Konsumenten. Apple muss etwas tun, wenn in China die ausgebeuteten Arbeiter vom Dach der iPhone-Fabrik in den Tod springen.

Der große Auftritt der Globalisierungskritiker ist vorbei, die Bewegung stirbt einen langsamen Tod, aber sie nimmt den neoliberalen Kapitalismus mit ins Grab. Die Globalisierungskritiker waren erfolgreich, sie haben den globalen Zeitgeist gedreht: Selbst Finanzminister Schäuble will jetzt eine Steuer auf Finanztransaktionen. Bald ist diese uralte Forderung erfüllt.

Wie sagte doch 2009 Frankreichs Staatschef Sarkozy, ein wirtschaftsfreundlicher Konservativer? "Die herausragende Eigenschaft dieser Krise ist die Rückkehr des Staates, das Ende der Ideologie von seiner Ohnmacht."

Apropos Krise – nun beginnt alles wieder von vorne. Eine Gewindedrehung höher, dialektisch fortgeschritten? In mancher Hinsicht ja, in anderer nein. Den Exzess erleben wir gerade als dritte Finanzkrise innerhalb einer Dekade. Die Antwort darauf ist die derzeit explodierende Occupy-Bewegung.

Sie beginnt – wie in Porto Alegre – ohne konkrete Forderungen als transnationaler Versuch der Selbstverständigung darüber, was eigentlich zu tun sei. Wenn die Bewegung in diesem Jahr weiter aktiv bleibt und die kritische Masse überschreitet, dann ist der weitere Weg vorgezeichnet.

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7 Kommentare

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  • LI
    leser irgendjemand

    "Die Qualität der Redebeiträger im Allgemeinen leidet - zumindest immer, wenn ich Gegenwärtig bin - immens."

     

    da kann ich, zumindest im hinblick auf berlin und zumindest im hinblick auf die redebeiträge auf der demo am 15.1. leider nur zustimmen. das fängt schon beim herumbrüllen an (ich lasse mich nicht anbrüllen, egal von wem, da brülle ich zurück, zur not schnappe ich mir eigens ein mikro zum zurückbrüllen mit gleichen mitteln beim nächsten mal) - das fägt also da schon an und zieht sich fort zu bedenken, weshalb die occupy-bewegung in berlin es sich so schwer damnit tut, anschluss zu finden. beim reinklicken in streams von versammlungen in New York zum beispiel, kann ich mich des gefühls nicht erwehren, dass irgendetwas momentan extrem schief läuft in der berliner bewegung. sie hätten sich so ein gewaltiges scheibchen abzuschneiden... wo in New York konstruktiv in treffen gearbeitet werden kann, wirkt die bewegung, zumindest in berlin und zumindest auf basis dessen, was ich am 15.1. erlebt habe, nicht annähernd zu einer ähnlichen konstruktiven debattenleistung fähig. 'zerfaserte kleinstgrüppchen' scheint hier das motto. ich drücke den entsprechenden beteiligten die daumen, dass es ab und mit der nächsten besetzung etwas besser läuft.

    • @leser irgendjemand:

      Ich bin nun nicht unbedingt ein taz-Fan, aber auch der taz gegenüber möchte ich fair bleiben. Ujnd deshalb kein Gemecker sondern eine Frage:

       

      Hat die taz über das Buch von Thomas P.M. Barnett -The Pentagons New Map- berichtet, in dem die vier Globalisierungsschritte beschrieben sind?

       

      Dass alle Staaten, die sich der Amerikanisierung widersetzen zu Schurkenstaaten erklärt werden und notfalls gekillt werden müssen:

       

      “We shall kill them!”

       

      Das Endziel ist “die Gleichschaltung aller Länder der Erde”, wie man auf Seite 70 erfährt. Das soll durch eine Vermischung der Rassen erreicht werden mit dem Ziel einer “hellbraunen Rasse” in Europa (Seite 66). Dazu soll Europa jährlich 1,5

      Millionen Einwanderer aus der Dritten Welt aufnehmen (Seite 43). Das Ergebnis wäre eine Bevölkerung mit einem durchschnittlichen IQ von 90; die europäischen Länder würden niemals mehr als Konkurrenten auftreten, eine tausendjährige Kultur

      würde vernichtet werden.

       

      Für alle, die diesen Zielen entgegentreten, haben die Globalisierer eine einfache

      Lösung: “Kill them”, so erfährt man es immer wieder, z.B. auf Seite 51, Seite 67 oder Seite 111. Geradezu die Sprache verschlägt es dem Leser, wenn er auf Seite 196-197

      erfährt, dass in der EU-Verfassung ein Schießbefehl gegen eigene renitente Bürger steht!

       

      Hat die taz davon berichtet?

       

      Die Frage kann mir natürlich auch die taz beantworten.

  • V
    vic

    Wer weiß, vielleicht irgendwann?

    Aber noch hat Occupy mit Globalisierungskritik und ATTAC nichts zu tun.

  • M
    Mark

    Wo bleibt bitte der Vergleich mit dem "Phasenmodell" nach Mahatma Gandhi?

     

    "Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du."

  • B
    blub

    ich finde den dialektischen ansatz, bei der analyse der "klasssenkämpfe der vergangenen paar jahr(zente)e" im ansatz richtig, jedoch in keinem falle weitreichend genug.

    denn es ist festzustellen, dass die ausgetragenen kämpfe immer nur regional waren und deshalb den dümpelnden bereich des marginalen nicht verlassen konnten.

    zwar g a b es "konflikte" - hier seien zum beispiel die aufstände und (noch andauernden) selbstorganisierungsversuche der zapatisten in mexiko, kurzzeitig die streik-und-besetzungsbewegung in argentinien u.a. genannt - die auch weltweiten nachklang hatten und menschen dazu motivierten, ihr leben in die eigenen hände zu nehmen, doch kann von einem weltweitgeführten "klassenkampf" keine rede sein.

    da die vom autor angeführten stadien jedoch nur von einem kleinen der menschheit auch bewusst durchlaufen wurden, spielen sie international gesehen keine rolle.

     

    es wäre darum für alle aktivist_innen und politisch in "diese" richtung denkenden menschen an der zeit, den vom autor dargelegten fortwährenden prozess der öffentlichkeit bewusst zu machen.

     

    erst dann kann von einem klassenkampf (oder wie auch immer) im eigentlichen sinne die rede sein: einem revolutionären serlbsterkennen und dem daraus resultierenden bestreben, die ordnung der welt (pathos,pathos) umzuwälzen.

  • KN
    Kein Name

    Bei einer Betrachtung des Labels Occupy sollten auf keinen Fall die Unzahl an antisemitischen Beiträgen bzw. Statements vergessen werden.

    Die Qualität der Redebeiträger im Allgemeinen leidet - zumindest immer, wenn ich Gegenwärtig bin - immens. Viele andere Betrachtungen weisen auch auf vermehrte faschistische Strömungen innerhalb des Labes hin. Die Reader am rechten Rand, der beim Lesen des Artikels "Der Zyklus des Protests" erschienen ist, der ist unglaublich oberflächlich und verkürzt. Diese Darstellung vom Occupy-Label sollte meiner Meinung nach schnellstmöglich bearbeitet werden!

  • K
    Kommentator

    Netter Versuch, diese Phasenmodell. Nur leider falsch, was da geschrieben wird. Für Phase vier schreiben Sie:

     

    "Der große Auftritt der Globalisierungskritiker ist vorbei, die Bewegung stirbt einen langsamen Tod, aber sie nimmt den neoliberalen Kapitalismus mit ins Grab. Die Globalisierungskritiker waren erfolgreich, sie haben den globalen Zeitgeist gedreht: Selbst Finanzminister Schäuble will jetzt eine Steuer auf Finanztransaktionen. Bald ist diese uralte Forderung erfüllt."

     

    Und später schreiben sie für die neue Runde mit Phase 5 = Phase 1:

     

    "Den Exzess erleben wir gerade als dritte Finanzkrise innerhalb einer Dekade. Die Antwort darauf ist die derzeit explodierende Occupy-Bewegung. "

     

    D.h. wenn die Phasen nacheinander folgen sollen, wie das Modell suggeriert, hätte der "Tod des neoliberalen Kapitalismus" ja schon eingetreten sein müssen. Davon hab ich aber irgendwie nichts mitbekommen. Aber das wäre ja bestimmt schwer zu verpassen gewesen, denn davon hätte sicher auch die TAZ berichtet. Und der "Tod des neoliberalen Kapitalismus" bestand ja jetzt bestimmt nicht in einer Äußerung von Schäuble, oder doch? Da hatte ich ja schon mit größeren Verwerfungen gerechnet als mit der Sonntagsrede eines deutschen Finanzministers.