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Archiv-Artikel

Die verlorene Leichtigkeit

Werder Bremen hat diesmal kein Glück in der Nachspielzeit, muss sich bei Schalke 04 mit einem 0:0 begnügen und versucht, die näher rückenden Bayern mit eigenwilligen Optimismen zu bannen

AUF SCHALKE HOLGER PAULER

Torlose Punkteteilungen lassen immer reichlich Raum für Interpretationen. Die Analyse des 0:0 zwischen Schalke 04 und Werder Bremen dürfte dabei – zumindest aus Sicht des Tabellenführers von der Weser – sehr stark vom späten Siegtreffer des fernen Verfolgers aus Bayern beeinflusst worden sein. Zehn Minuten vor Schluss sah es so aus, als könnte Bremen den komfortablen Neun-Punkte-Vorsprung an der Tabellenspitze weiter ausbauen. Der VfB Stuttgart lag in Kaiserslautern zurück, Bayern München quälte sich torlos und Werder erhöhte die Schlagzahl. Zu diesem Zeitpunkt waren die Schalker längst mit dem einen Punkt zufrieden. Tomasz Hajto, der Mann fürs Grobe, hatte Christian Poulsen ersetzt und unterstützte seine Mannschaftskollegen dabei, Bälle lang und ohne Adressaten nach vorne zu schlagen. Für Bremen war trotz aller Offensivbemühungen kein Durchkommen mehr. Die Serie von drei Siegen in der Nachspielzeit riss; das Ergebnis konnte die verlorene Leichtigkeit des Bremer Fußballspiels diesmal nicht mehr übertünchen.

Dennoch gaben sich die Werder-Verantwortlichen eigenwilligen Optimismen hin: „Unsere Situation hat sich sogar noch verbessert. Wir haben in einem schweren Auswärtsspiel einen Punkt geholt, und die Bayern haben ein leichtes Heimspiel nur knapp gewonnen“, verkündete Werder-Sportdirektor Klaus Allofs. Trainer Thomas Schaaf blieb etwas erdnaher: „Gegen einen starken Gegner muss man auch mal mit einem Punkt zufrieden sein.“ Dass sie vor allem in der ersten Halbzeit vielleicht etwas zu respektvoll aufgetreten waren, mochte Schaaf nicht bestätigen. Im Gegenteil: Die Mannschaft sei sogar der größten Chance beraubt worden, als Schiedsrichter Wack dem Bald-Schalker Ailton einen Elfmeter verweigerte. „Dafür habe ich kein Verständnis“, wütete Allofs nach dem Studium der Fernsehbilder. Dass sich die Bayern am Samstag das geliehene Glück wieder zurückholten, saß wohl doch tiefer, als sich die Bremer Verantwortlichen eingestehen wollten.

Jenseits aller Meisterschaftsspekulationen machen die Schalker weiter ihr eigenes Ding. Zu Hause spielen sie seit über vier Stunden, ohne dass sie ins Tor treffen. Andererseits blieben sie immerhin im vierten Spiel nacheinander ohne Gegentor. Das reicht sogar, um dem Meisterschaftsaspiranten aus Bremen Respekt einzuflößen. Über 70 Minuten konnten die Schalker das Spiel locker ausgeglichen gestalten. Zum wirklichen Fortschritt taugt das nicht: Der Platz hinter den Uefa-Cup-Plätzen manifestiert sich so langsam. „Bochum spielt nächstes Jahr in der Champions League und wir im Döner-Cup. Wenn wir Glück haben, können wir wieder den ganzen Nahen Osten bereisen“, kommentierte Schalke-Manager Rudi Assauer den mittlerweile auf vier Punkten angewachsenen Rückstand auf den Tabellenfünften aus der Nachbarschaft.

„Unser altes Dilemma ist, dass wir unsere Chancen nicht nutzen“, lieferte Trainer Jupp Heynckes die Begründung für den bescheidenen Fortschritt. „Die Abschlussschwäche können wir im Moment nicht beheben.“ Ersatz-Kapitän Ebbe Sand blieb völlig wirkungslos, der 18-jährige Michael Delura wirkte übernervös. Andererseits: Ailton war auch nicht erfolgreicher. Trotzdem war Jupp Heynckes mit dem Spiel seiner Mannschaft zufrieden. Zumindest mit der Spiel-Organisation. Und wer was vom Fußball verstände, hätte das auch sehen können. Die an Zuschauer und Medienvertreter gerichtete versteckte Kritik wurde hinterher deutlicher: „Ich merke, dass die Leistung meiner Mannschaft nicht genügend anerkannt wird“, so Heynckes.

Die Besserung ist mindestens 13 Spiele entfernt. Mit den Verpflichtungen der Bremer Ailton und Krstajic haben die Schalker Erwartungen geweckt, die gestern nicht weniger geworden sind. Auch wenn Ailton unauffällig blieb, zeigte zumindest Krstajic, dass er die erhoffte Verstärkung sein könnte – nicht nur defensiv. „Wir haben dann eine größere Gewähr, erfolgreich Fußball zu spielen“, will Jupp Heynckes die Ansprüche erst gar nicht herunterschrauben. Dass die beiden Bremer dann als Deutsche Meister kommen, ist seit Samstagnachmittag nicht unbedingt sicherer geworden.