: Die starke Schwarze für die schwachen Weißen
■ „Sister Act“: Emile Ardolinos Hollywood-Komodie mit Whoopi Goldberg
Haare bis zum Himmel, Ohrring bis zur Schulter, lila Spitze und falsches Gold: Deloris Van Cartier ist die Frau, der ein Mann einen violetten Nerz schenkt. Eine Frau, die ihre große Klappe selten halten kann und deshalb manchmal Ärger kriegt. Gerade will sie das violette Fell ihrem Galan um die Ohren hauen, denn der hat es aus dem ehelichen Kleiderschrank gestohlen, da wird sie unvermutet Zeugin eines Mordes: Vince La Rocca, ihr Liebhaber, hatte den Finger am Abzug. Deloris geht zur Polizei, ihre Lage ist gefährlich, da hilft nur ein sicheres Versteck. Die Nachtclubsängerin geht ins Kloster, die Polizei hat es eben so gewollt, nicht wahr?
Whoopi Goldberg spielt Deloris. Damit ist schon gesagt, was dieser Film unweigerlich in seinem weiteren Verlauf entfalten wird. Das Entsetzen in den Augen der strengen „Mutter Oberin“ beim ersten Anblick der leibhaftigen Sünde. Maggie Smith als Mutter Oberin – die Gegenwelt zu Whoopis Halbweltdame.
Kein Zweifel: Deloris wird die humorlose Kirchenfrau in den Irrsinn treiben. Seit' an Seit' mit netten Nonnen, der zarten Dünnen und der fröhlichen Dicken, macht sich Deloris an die Arbeit. Sie übernimmt die Leitung des eingerosteten Kirchenchors und macht daraus eine Gospelkapelle. Die singt so herzschmelzend, daß zum guten Schluß selbst dem Papst, angelockt vom Ruhm der singenden Schwestern, Tränen in den Augen stehen. „Geben Sie Ihr kritisches Bewußtsein am Eingang ab“, empfahl ein englischer Filmjournalist angesichts solcher Szenen. Er hat recht.
Neben dem Gesangspensum, das sie absolvieren müssen, malen die Nonnen ihre graue Kirche an, bringen Schwung in die spärlich bevölkerten Gottesdienste und – auch das ist neu – kommunizieren mit den Alten, Schwachen und Säufern aus der Nachbarschaft. Deloris-Whoopi mixt, es war zu ahnen, den Konvent in bewährter Hollywood-Manier auf. Es ist plötzlich was los und richtig lustig dazu. Ein bißchen, wirklich nur ein bißchen, erinnert der Film an „Lilies Of the Field“ (Lilien auf dem Felde) aus dem Jahre 1963. Damals war es Sidney Poitier als schwarzer Wanderarbeiter Homer Smith gewesen, der die Welt einer Handvoll deutscher Nonnen wieder in Ordnung brachte, indem er ihnen eine Kirche zu bauen half. Poitier nahm für die Geschichte, die direkt in die Herzen der Zuschauer traf, einen Oscar mit nach Hause.
Auch Whoopi will mit dem „Dirty-Dancing“-Regisseur Emile Ardolino in die Herzen der Zuschauer treffen, allerdings mit anderen Mitteln als Sidney Poitier. „Sister Act“ ist eine Hollywood- Komödie mit der sentimental formulierten Sehnsucht nach einer besseren Welt und mit einer idealistischen Pointe: Schwarze starke Frau hilft weltfremden weißen Nonnen. Beim Happy-End liegen sich alle in den Armen – der Kitsch darf sirupsüß triefen.
Zum Schluß kommt es nicht nur zum Show-Down mit Gangstern (und Nonnen) in Las Vegas. Auch die liebe Seele hat nun ihre Ruh'. Die Nachtclub-Dame Deloris ist geläutert, hat eingesehen, daß ihr bisheriges Leben nicht das wahre war und das wahre Glück nicht in Gangsterherzen und violetten Nerzen liegt. Das nämlich liegt, weiß der Film, in Bescheidenheit, in der inneren Einkehr und der häuslichen Ruhe. Mal wieder ein Film für die ganze Familie kurz vor Weihnachten. Marion Löhndorf
„Sister Act“. Regie: Emile Ardolino. Mit Whoopi Goldberg, Maggie Smith, Harvey Keitel. USA 1992. Ab 29. November 1992 im Kino
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen