: Die pure Narretei
Mit dem neuen Trainer Marcel Koller verliert der 1. FC Köln in Bochum 0:4 und ziert nun das Tabellenende
BOCHUM taz ■ Drei Tage zu früh, am 8. 11. um 15.37 Uhr, hat der Kölner Karneval begonnen. Bochums Stürmer Vahid Hashemian läutete die närrische Session mit seinem Führungstreffer gegen den 1. FC Köln ein. Was die 30.777 Zuschauer im Ruhrstadion danach sahen, entsprach einer fußballerischen Büttenrede der Kölner. Wie angetrunken spielte der Abstiegskandidat aus der Domstadt und kam mit einem 0:4 gegen nüchtern und humorlos auftretende Bochumer noch gut davon. Kölns neuer Trainer Marcel Koller betonte hinterher dennoch das Positive: „Ich habe ein paar gute Minuten gesehen.“
Wochenlang hatte der Schweizer auf der Kölner Haupttribüne gesessen, zuletzt war er fast ungehalten über seine Dauerrolle als Retter in Wartestellung. Für den unsicheren Job am Rhein hatte Koller eine Festanstellung bei den Grasshoppers Zürich aufgegeben. Effektiv war Kollers Langzeitbeobachtung der künftigen Mannschaft jedoch nicht. Im ersten Spiel unter der Verantwortung des am vergangenen Sonntag installierten FC-Trainers spielten die Kölner schlechter als in den Vorwochen. So peinlich hatte sich das Team zur Amtszeit von Koller-Vorgänger Friedhelm Funkel nicht „vom Platz jagen lassen“, wie es Kapitän Dirk Lottner nach Spielende ausdrückte.
Dabei hatte der FC tatsächlich gute Minuten – es waren knapp sieben. Bis zur Bochumer Führung trugen die Kölner zwei gefällige Angriffe vor, die VfL-Torwart Rein van Duijnhoven aber routiniert entwertete. Die erste Offensivbemühung des Gastgebers war erfolgreicher. Hashemian war in den Kölner Strafraum geschickt worden, wo FC-Keeper Stefan Wessels sinnfrei aus dem Tor eilte und seine Mitspieler bei der Defensivarbeit behinderte. Der Bochumer konnte ebenso störungslos treffen wie Kollege Peter Madsen nach einer Viertelstunde. Eine Bochumer Freistoßflanke führte zur Kollision zwischen Verteidiger Moses Sichone und Wessels. Madsen nutzte die Turbulenzen und machte per Kopf das 2:0. Kallas Schädeltor entschied das Spiel dann schon vor dem Halbzeitpfiff.
Marcel Koller reagierte zur Pause nicht. Andrej Woronin, nach langer Verletzung noch weniger torgefährlich als zuvor, durfte weiter angreifen, Dirk Lottner im Mittelfeld herumstehen. Auch der FC-Trainer verhielt sich ähnlich passiv. War der Schweizer in der ersten Hälfte noch gestenreich um Einflussnahme bemüht, stand er nun mit unbeweglich verschränkten Armen neben der Trainerbank, als wollte er Distanz ausdrücken. Der VfL überführte das Spiel nach der Pause in ein Standbild, die chancenlosen Kölner machten mit. Der FC-Anhang verarbeitete das Geschehen mit dem Absingen von Karnevalsliedern. Zynisch bejubelten die Kölner Fans das Bochumer 4:0 durch Miroslav Stevic und feierten ihren früheren Trainer Peter Neururer. Der Bochumer Coach attestierte seiner Elf eine „durchschnittliche Leistung“ und freute sich über den „fünften Platz in der immer noch stärksten Liga der Welt“.
„Man kann in einer Woche nicht alles ändern“, rechtfertigte sich Marcel Koller bei der Pressekonferenz. Dem Tabellenletzten soll jetzt in einem fünftägigen Trainingslager die Philosophie des neuen Vorgesetzten nahe gebracht werden. Aus ein „paar guten Minuten“ will Koller ganz viele machen. Offensiv soll der FC spielen, so der 42-Jährige. „Wir brauchen mehr Präsenz im gegnerischen Strafraum.“ Es wäre wohl das erste Mal in der Bundesliga-Geschichte, dass sich ein verunsichertes Tabellenschlusslicht mit progressivem Fußball vor dem drohenden Abstieg zu retten versucht. Neben Koller hatte in den letzten Wochen noch ein weiterer potenzieller Retter auf der Kölner Tribüne gewartet: Aleksandar Ristic, der bosnische Defensivspezialist. Aber die FC-Führung entschied sich riskanterweise gegen den alten Haudegen und für die Nachwuchskraft mit den offensiven Heilsversprechen.
Die Kölner Fans sitzblockierten die Abreise der eigenen Mannschaft. „Wir sind nur ein Karnevalsverein“, erinnerten sie den abfahrbereiten FC-Tross an den nahenden 11. November. Die Spieler saßen hinter den dicken Glasscheiben ihres Luxusbusses und schüttelten nur genervt den Kopf. MARTIN TEIGELER