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„Die progressivste Plattform seit 1976“

Michael Harrington ist Vorsitzender der „Democratic Socialists of America“ und Verfasser vieler Bücher über Geschichte und linke Politik in den USA / „Dukakis‘ größter Vorteil heißt Bush“  ■ I N T E R V I E W

taz: Hat Jackson seinen Kampf um die Demokratische Partei verloren oder gewonnen?

Michael Harrington: Ich denke, er hat ihn gewonnen. Er hat in seiner Kampagne viel mehr erreicht, als ich ihm jemals zugetraut hätte. Seine Kampagne war viel breiter angelegt, sein Programm versuchte sozialdemokratische Inhalte in einem Land zu vertreten, das keine sozialdemokratische Tradition hat.

Nach der Nominierung Bentsens und bei seiner Niederlage in den Abstimmungen über die Plattform sah er dennoch eher wie ein Verlierer aus.

Nein. Ich wünschte zwar, Dukakis hätte diese Wahl nicht getroffen, aber mir war klar, daß er auf der Suche nach einem Vize nach rechts schauen mußte. Ich denke, daß Dukakis zu weit gegangen ist; schlimmer als Bentsen hätte eigentlich nur noch Sam Nunn sein können. Aber ich verstehe das Problem, daß in den Vorwahlen die Wähler in der Regel viel weiter links stehen als die Wähler, die man im November gewinnen will. Um die Nominierung zu erlangen, muß sich ein Kandidat nach links bewegen - aber nach rechts, um die Präsidentschaftswahl zu gewinnen. Die Plattform spiegelt eigentlich eher Jacksons Positionen wieder als Bentsens, in der Debatte dominierte der linke Parteiflügel. Ihr Hauptfehler ist, das sie so vage ist, aber es ist wenigstens eine linke bis liberale, eine populistische Schwammigkeit. Es ist die progressivste Plattform seit 1976 - sie fordert Vollbeschäftigung, erklärt Südafrika zum terroristischen Staat und spricht sich gegen Contra-Gelder aus.

Hat Dukakis Chancen, im November zu gewinnen?

Ich denke, es wird knapp werden. Die große Frage ist immer, wie man genug von den etwa vierzig Prozent der Wähler gewinnt, die nicht von vornherein auf eine der beiden Parteien festgelegt sind. Der größte Vorteil, den Dukakis hat, ist Bush. Bush ist kein guter Kandidat, die meisten Amerikaner mögen ihn einfach nicht. Sie mochten Ronald Reagan, aber nicht sein Programm. Sein Charisma ist nicht übertragbar, und nach acht Jahren an der Macht können sich die Republikaner auch nicht mehr als die Partei präsentieren, die gegen die Bürokraten in Washington antritt.

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