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■ Die perfide Logik in Waigels neuen SparprojektenBohren in der Gerechtigkeitslücke

Daß die Bundesregierung des gähnende Loch im Staatshaushalt schließen muß, ist politisch unbestreitbar und von der Verfassung geboten. Wie sie dieser Aufgabe nachkommt, hat mit den „Richtlinien der Politik“ zu tun, für die bekanntlich der Kanzler verantwortlich zeichnet. Bei den vom Finanzminister vorgesehenen Kürzungen im Sozialetat, den vom Verkehrsminister zeitgleich in Aussicht gestellten Steuersenkungen für LKW-Eigner oder den von der Treuhand beantragten Zusatzkrediten in Milliardenhöhe noch eine Linie erkennen zu wollen, ist jedoch ein frustrierendes und wohl auch überflüssiges Unterfangen. Der Richtlinienbestimmer hat sich im eigenhändig produzierten Kuddelmuddel der öffentlichen Finanzen heillos verwirrt, und Waigel hat nicht das Kaliber, Ordnung in das Finanzchaos zu bringen.

Doch gibt es so etwas wie eine nachgerade perfide Logik in den Sparvorschlägen Waigels. Diejenigen Gruppen und Schichten werden zur Kasse gebeten, die über keine oder nur eine sehr schwache Lobby verfügen, während man durchaus bereit ist, das ökonomische Machtkartell, z.B. das Transportgewerbe, selbst in Zeiten der Finanzkrise zu bedienen. Auch wenn dies gegen jede ökologische und ökonomische Vernunft, gegen die Selbstverpflichtungen nach der Rio-Konferenz zur Reduktion des CO2-Ausstoßes und gegen den Schienenverkehr geht, dessen dadurch steigende Defizite die öffentliche Hand belasten.

Vor einem Jahr wurden in Ostdeutschland „Komitees für Gerechtigkeit“ gegründet. Mit nicht gerade durchschlagendem Erfolg. Vielleicht wagt die Regierung gerade deshalb Kürzungen von Leistungen an die sozial Schwächsten, weil sie sich nicht organisieren können und auf der Bonner Bühne nur mit schwacher Stimme gegen den Verlautbarungschor ansingen. Eine alte Erfahrung, schon aus der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre. Und daher kann als Begründung für die Streichungen auch das schäbige Argument vom „Sozialmißbrauch“ verwendet werden. Sicherlich kommt der vor. Aber wenn die Regierung nicht zu allererst den Einigungsmißbrauch der Durchstecher und Abstauber, der Selbstbediener und Betrüger im Umfeld der Treuhand abstellt, sollte der politischen Klasse das Wort „Sozialmißbrauch“ im Hals stecken bleiben.

Klar muß gespart, müssen die Einnnahmen des Staates verbessert werden. Die Koalition ist kopf- und konzeptionslos. Und die SPD? Die Kehrseite der trüben Medaille. Die Simonis, Lafontaines haben auch keine Idee, wie die Finanzkrise des Staates zu bewältigen wäre. Also tun sie alles, um den Eindruck zu zerstreuen, die SPD würde vielleicht doch nicht auf eine Große Koalition des Sozialabbaus setzen.

Mit den wilden Attacken auf den Kernbestand des Sozialstaates wird der gesellschaftliche Zusammenhalt untergraben, werden die Versuche der Beschäftigungspolitik durch Arbeitszeitverkürzung dem Sparzwang zum Opfer gebracht. Eine politische Klasse, die sich betroffen von den Morden in Solingen zeigt, aber gleichzeitig ihren Beitrag zur gesellschaftlichen Zersetzung leistet, stochert – nehmen wir zu ihren Gunsten an, eher konfus als bewußt – in der „Gerechtigkeitslücke“, weitet die „Glaubwürdigkeitslücke“ aus und erzeugt damit jene „Politikverdrossenheit“, über die sie anschließend besorgt wissenschaftliche Konferenzen organisiert. Elmar Altvater

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