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Archiv-Artikel

Die neuen Kleider der Wandse

Wie kann der Fluss in Wandsbek renaturiert werden? Die Argentinische Künstlergruppe Ala Plástica macht Vorschläge, die sie unter dem Titel „Position Bypass“ in der Galerie für Landschaftskunst zeigt. Die Anwohner wurden in die Arbeit einbezogen

von Christian T. Schön

Die Übersetzerin kommt gleich. Eine gute Idee. Denn Silvina Babich und Alejandro Meitin von der Argentinischen Künstlergruppe Ala Plástica sprechen nur Spanisch. Die Tatsache, dass eine Übersetzerin gebraucht wird, ist zugleich symptomatisch für ihre künstlerische Arbeit, die Ala Plástica als „Dialoge katalysieren“ beschreiben. Die Übersetzerin kommt. Und Alejandro Meitin spricht erst einmal eine ganze Weile von „Rhizomen“, „post-visueller Kunst“ und „bioregionalen Systemen“. Leere Schlagwörter eines Philo-Junkies?

Immerhin füllen sie den 1976 von Deleuze und Guattari geprägten und in der Postmoderne inflationär für alles Mögliche gebrauchten Begriff vom „Rhizom“ mit Leben. Im Dezember 1995 schon bepflanzten Ala Plástica zusammen mit Anwohnern das vergiftete Flussufer des Río de la Plata mit Binsen. Die Pflanze, ein Rhizom, befestigt das Gelände und entgiftet es.

Der paralell geführte kommunikative Prozess mit der interessierten Bevölkerung bildet in der Philosophie Ala Plásticas ein weiteres, ein soziales Rhizom: Historische, ökonomische, kulturelle und emotionelle Dimensionen werden zu einem weit verzweigten Geflecht multipler Autorenschaft verwoben.

Seit 15 Jahren arbeitet die Gruppe nun schon so. Nach Hamburg wurden Ala Plástica von der Galerie für Landschaftskunst eingeladen. Hier sollen sie sich am Kunstprojekt „Stadtfluss Wandse“ beteiligen, das in Kooperation mit einem Projekt des Wandsbeker Umweltamts (mit dem putzigen Titel „Forelle 2010“) die Wiederansiedlung von Forellen in der Wandse zum Ziel hat. Die Galerie koordiniert und kuratiert künstlerische Projekte, die sich mit unterschiedlichen Vorstellungen von Natur in der Stadt befassen.

Im aktuellen Projekt „Position Bypass“ konzentrieren sich Ala Plástica auf die Wandse und die Rahlau – einen Umleitungsgraben. „Bypass“ bezeichnet ein Gebiet im Eichtalpark.

„Wie nehmen Sie den Fluss wahr? Beschäftigen Sie sich mit der Wandse und ihrer Umgebung?“ Ein Arbeitstisch im Biologischen Sondergarten war über drei Monate Treffpunkt von Stadtteilhistorikern, Umweltschützern, Kunsthandwerkern, Anwohnern und Künstlern. Die Ergebnisse werden jetzt in der Galerie gezeigt.

„Die Menschen, die dort leben, haben so viele Geschichten vom Wasser, auch von der Wandse, erzählt.“ Alejandro lacht. „Das sind alles Flussexperten.“ Aus ihren Ideen haben sich vier in der Ausstellung gezeigte Varianten herauskristallisiert, die an das Bezirksamt weitergeleitet wurden und später gemeinsam mit Anwohnern in die Tat umgesetzt werden sollen. Der künstliche Staudamm einer Ölmühle etwa soll abgerissen werden. Im Spannungsfeld zwischen Renaturierung einerseits und (nicht mehr zeitgemäßer) ökonomischer Nutzung der Wandse andererseits sicherlich keine leicht zu verwirklichende Idee.

Eine weitere Idee: die kanalisierte Rahlau als Imitat eines „natürlichen“, mäandernden Flusslaufs zu begreifen. Hierfür könnten mit Erde gefüllte Weidenkörbe ins Flussbett gelegt werden. Das Wasser müsste seinen Lauf ändern, sich das Ufer aneignen und neue Wege gegen den Widerstand finden – wie im natürlichen Prozess auch. Zwei Fischreusen ähnelnde Weidenkonstruktionen liegen schon einsatzbereit in der Galerie. Die Weidenäste würden mit der Zeit verfallen, der künstliche-künstlerische Eingriff dadurch unsichtbar. Das aus Verschwinden und Entstehen erschaffene Ergebnis nennen Ala Plástica „post-visuelle Kunst“.

Die südamerikanischen Künstler betrachten die Umwelt als eine „Erweiterung unserer selbst“. „Ego-Systeme“ – Eingrenzungen von Natur und Raum auf ihren ökonomischen Nutzen – führen zu einer Entfremdung. Die Künstlergruppe setzt auf kooperative Kunstpraktiken, um „die regenerativen Energien und Möglichkeiten des gesellschaftlichen Handelns“ zu katalysieren.

Do + Fr 15–18 Uhr, Galerie für Landschaftskunst, Admiralitätsstr. 71; bis 21.8.; www.gflk.de