■ Clintons Suche nach der Mittelschicht: Die neue Spezies „Newt Democrat“
„Wo, bitte, geht's zur Mitte?“ fragte der Präsident und legte sich in die Rechtskurve. „Immer der Nase nach“, sagten seine Berater und hielten sich fest.
Die Transformation des „neuen Demokraten“ Bill Clinton vollzieht sich derzeit mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit, die seinem Joggingtempo diametral entgegengesetzt ist. Statt „New Democrat“ heißt Clinton jetzt „Newt Democrat“ unter freier Verwendung des Vornamens von Newt Gingrich, des zukünftigen Sprechers des Repräsentantenhauses, erzkonservativen Republikaners und haushohen Gewinners der jüngsten Wahlen. Ob Schulgebet, Sexualmoral, Strafjustiz oder Steuergesetzgebung — Clinton paukt rechtskonservative Programmatik wie ein reuiger Schüler, den man erwischt hat, als er heimlich das verpönte „L-Wort“ in die Bank ritzte: „Liberal“.
Seine jüngste Ansprache an die Nation war, allen anderslautenden Ankündigungen zum Trotz, keine politische Antwort auf den Wahlsieg der „Republikaner“ vom 8. November, sondern ein Akt der Performance – ein schlechter Trick im Buhlen um die Gunst der wahlstrategisch unberechenbaren Mittelschicht. In diesem „Wer-verspricht-die-größten-Steuergeschenke“-Spiel geht es um nichts anderes, als sich die besten Startlöcher für den Wahlkampf 1996 zu graben. Das Problem ist: Wenn Bill Clinton inhaltlich nichts Substantielleres einfällt, als sich dem moralischen Kreuzzug und der Anti-Steuer- und Anti-Staat- Ideologie der „Republikaner“ anzuschließen, dann bleibt dies seine erste und letzte Amtszeit. Statt der Kopie bevorzugt der Wähler immer noch das Original, statt des „Newt Democrat“ dann schon lieber den „Newt Republican“.
Das Paradoxe ist: Clinton hätte weit mehr politischen Spielraum, als er mit seiner getrübten Vision derzeit zu erkennen vermag. Die letzten Wahlen manifestierten einen Rechtstrend, doch angesichts der Wahlbeteiligung von 39 Prozent können die Republikaner wahrlich kein gesellschaftliches Mandat für ihr aufgewärmtes Revolutionsmenü à la Reagan in Anspruch nehmen. Vielmehr ließe sich die These wagen, daß viele potentielle Clinton-Wähler vom mangelnden Durchsetzungsvermögen und der fehlenden Prinzipientreue des Präsidenten die Nase voll haben – nicht aber von Clintons Reformvorhaben, mit denen er 1992 ins Amt gewählt wurde.
Es ist also durchaus Platz für politische Alternativen wie sie im Wahlkampf 1992 formuliert wurden. Bloß hat in der „Demokratischen Partei“ derzeit keiner die Stamina, diese zu vertreten. Schon gar nicht der Präsident. Andrea Böhm
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